Bericht aus Kreta - Eindrücke zum Vorgehen Tsipras' nach dem Referendum

Athen @, Sonntag, 12.07.2015, 20:01 vor 3496 Tagen 5349 Views

Zunächst einmal ein herzliches Danke an Gaby, die mit ihren Berichten aus (Nord-)Griechenland dieses Forum sehr bereichert!

Hiermit möchte ich meinen kleinen Beitrag leisten:
Zwei Wochen vor dem Referndum war alles so wie im Vorjahr. Der innergriechische Tourismus war vorhanden, zwar deutlich sichtbar geschwächt, aber nicht vollends ausgeblieben. Die ausländischen Touristen machten etwa 30% aus. Laut Statistik von den beiden (Haupt-)Flughäfen war die Zahl der Ankünfte gleichgeblieben, während insbesondere die zweitgröße Stadt Chania wieder mal ein Rekordjahr erlebt. Im dritten Jahr in Folge erfreut sich die Hafenstadt größter Beliebtheit bei ausländischen Gästen.

In der Woche vor dem Referendum war dieses das all beherrschende Thema. Alle wollten ihre Meinung teilen und anderen lauschen. Nicht gar wenige waren unentschlossen und zu Beginn stellte sich die Frage, worüber genau abgestimmt werden sollte. Über einen Verbleib im Euro, einen Verbleib in der EU gar oder "lediglich" den konkreten Vorschlag der Troika. Immer wieder wurde auf die bedeutende, strategische Rolle Griechenlands im Mittelmeerraum hingewiesen; die Bedrohung der europäischen Partner und der USA, bei einem Zuwenden zu Russland. Man könne Griechenland doch gar nicht fallen lassen. Gleichzeitig waren die Einschnitte wegen der hohen Arbeitslosigkeit, der Gehalts- und Rentenkürzungen bereits sehr schmerzhaft. Zu weiteren Einschnitten sind viele nicht mehr bereit. Der Wahlsieg der SYRIZA nur folgerichtig.
Am meisten getroffen wurden die Menschen durch die Einschnitte der Geldautomaten und Beschränkung auf 60 €. Auf Kreta funktionierten ausländische Kreditkarten allerdings ohne Beschränkung. Die Geschichten vom weinenden Rentner, der seiner kranken Frau die Medikamente nicht mehr kaufen konnte und der alten Dame (Witwe?), die 20 € für Taxikosten aufwenden müsse, um zum Schalter zu gelangen, machten die Runde. Tatsächlich haben immer noch einige ihr Geld nicht abgeholt (selbst schuld...?!) und viele keine EC/Kreditkarte. Unter der Woche öffneten die Banken kurz, somit konnten Rentner (in der Bank) 120 € abholen.
In den Supermärkten gab es keinerlei Engpässe. Auch die Tankstellen liefen wie gewohnt.

Letztlich herrschte Einigkeit, dass über den Vorschlag der Troika abgestimmt werden sollte. Einzeln wurden JA-Votierende als Deutschkollaborierende bezeichnet (Schimpfwort aus WK II). Der Stolz und Jubel über das Nein, welches im Bezirk Chania mit fast 74% am höchsten und in Iraklio mit fast 71% am vierthöchsten in ganz Griechenland ausfiel, überwog. Teilweise kam es zu spontanen Feiern. Die vermeintlich geringe Wahlbeteiligung lässt sich u.a. auf das griechische Wahlsystem zurückführen, wonach man nur an einem bestimmten Ort (meist "Herkunftsort") wählen kann (Änderung möglich, aber oft nicht genutzt) - Briefwahl gibt es nicht.

Der Rücktritt Varoufakis' kam für viele unerwartet. Das Vertrauen in ihn war in den letzten Monaten gewachsen. Die "Kehrtwende" Tsipras' durch das Angebot Griechenlands wurde so aufgenommen (natürlich nur einzelne Stimmen aus der Bevölkerung), wie im DGF bereits gemutmaßt worden war: Zunächst wurden die vermeintlichen Vorteile des Programms gegenüber dem Vorschlag der Troika hervorgehoben. Das Volk hätte mit der Abstimmung alles in seiner Macht liegende getan und Tsipras konnte wohl erfolgreich verkaufen, die Lage hätte sich in der einen Woche stark verändert, mehr sei nicht herauszuholen.
Für mich überraschend überwog statt der Wut die Enttäuschung über Tsipras.

Soweit aus Kreta & Griechenland.

Sind auf Kreta Coins in der Bevölkerung bekannt?

Isländer @, Sonntag, 12.07.2015, 20:35 vor 3496 Tagen @ Athen 3150 Views

Danke erst mal für den Beitrag.
Auf Heise

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45400/1.html

wurde der Tage geschrieben: „Von einer Verfünffachung des Handelsvolumens berichten griechische Bitcoin-Händler.“

Varoufakis soll ebenfalls auf Coins hingewiesen haben, wie im Artikel zu lesen.
Wäre vielleicht interessant, darüber etwas zu erfahren. Gerade für die Deutschen, welche als letzte gezypert werden.

LG
Isländer

--
Alle meine Beiträge stelle ich unter Vorbehalt zukünftiger Erkenntnisse.
Die Zeiten des direkten Beweises sind vorbei.
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Nicht, dass ich wüsste (oT) - wenn überhaupt, allenfalls den Jungen (oT)

Athen @, Sonntag, 12.07.2015, 20:39 vor 3496 Tagen @ Isländer 2455 Views

- kein Text -

Tsipras wurde von Putin verarscht.

aprilzi @, tiefster Balkan, Sonntag, 12.07.2015, 20:39 vor 3496 Tagen @ Athen 4370 Views

Hi,

nun muss Tsipras den Canossagang antreten. Er muss von den Schxxss-Sklavenhalter fuers Ueberleben betteln.


Diese Erkentnis wird ihn umbringen. Eigentlich muss er sich erschiessen.

Gruss

Es wäre für den geneigten Leser sicher sehr hilfreich,

Zweistein @, Sonntag, 12.07.2015, 21:07 vor 3496 Tagen @ aprilzi 3819 Views

wenn du zu deiner Meinung irgendeine substanzielle Begründung liefern könntest.

Ansonsten ist es nicht mehr, als Stammtischgewäsch.

Mit besten Grüßen

Zweistein

--
Ich glaube, mit Digitalisierung ist die Verbreitung von Blödheit in Lichtgeschwindigkeit gemeint.
Zweistein

Schließe mich an (oT)

Mephistopheles @, Datschiburg, Sonntag, 12.07.2015, 21:23 vor 3496 Tagen @ Zweistein 2363 Views

- kein Text -

--
Wenn wir nicht das Institut des Eigentums wiederherstellen, können wir nicht umhin, das Institut der Sklaverei wiederherzustellen, es gibt keinen dritten Weg. Hillaire Belloc

Antwort

aprilzi @, tiefster Balkan, Sonntag, 12.07.2015, 21:31 vor 3496 Tagen @ Zweistein 3675 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 12.07.2015, 22:02

wenn du zu deiner Meinung irgendeine substanzielle Begründung liefern
könntest.

Hi,

also meine Meinung formt sich aus dem Hergang der Dinge hier in Bulgarien im letzten Jahr.

Die Regierung stellte damals eine Koalition aus Staatsfeinde dar.

Die Sozialisten, die jeden Mist den Putin hier vorlegte, unterschrieben. So war geplant, ein zweites Atomkraftwerk von Russland bauen zu lassen. Das haette zur Folge, dass Bulgarien bankrott geht. Dann war der Bau der South-Stream geplant. Ein weiteres Geldverschwendungsprojekt. Dann ging die KTB Bank pleite.

Der andere Partner der Sozialisten war die tuerkeihoerige Partei der Tuerken. Diese wiederholen jeden Mist der Pseudoliberalen und NGOs.

Dann schliesslich die rechte Partei von Ataka. Diese haben einen TV-Sender, der rundherum Putins Meinung verbreitet. Die stimmen im Parlament nur das ab, was gut fuer Russland ist, jedoch kuemmern sich nicht um die Interessenlage der Bulgaren.


Es gibt nun Parallelen zu Griechenland. Auch dort ist eine Koalition zwischen den Linkssozialisten und den Rechtskonservativen von Kammenos.

Gruss

Antwort (oT) Fehler (oT)

aprilzi @, tiefster Balkan, Sonntag, 12.07.2015, 21:32 vor 3496 Tagen @ aprilzi 2756 Views

- kein Text -

Zustimmung zu "Antwort - Fehler"

Bernadette_Lauert, Sonntag, 12.07.2015, 21:37 vor 3496 Tagen @ aprilzi 3358 Views

Ja, bei den diversen rechten Sektoren in Europa ...

Zarathustra, Sonntag, 12.07.2015, 21:46 vor 3496 Tagen @ aprilzi 2922 Views

... ist der Typ äusserst beliebt. Ebenso bei den Ultralinken. Sind ja auch kaum noch zu unterscheiden.


Dann schliesslich die rechte Partei von Ataka. Diese haben einen
TV-Sender, der Rundherum Putins Meinung verbreitet. Die Stimmen im
Parlament nur das ab, was gut fuer Russland ist, jedoch kuemmern sich nicht
um die Interessenlage der Bulgaren.


Gruss


Gruss nach Bulgarien

Das glaube ich nicht

duc ⌂ @, Sonntag, 12.07.2015, 23:26 vor 3496 Tagen @ aprilzi 2550 Views

Tsipras ist ein verdammt guter Stratege und seine kurzfristige Hinwendung an Putins Russland war die Rute im Fenster der EU.
Mit seinem Referendum hat er den nächsten Schachzug gemacht, denn ganz gleich ob ja oder nein, bleibt er am Schluss moralischer Sieger. Er wusste, dass die Troika kaum nachgeben würde und dass sie erneut erhöhte Forderungen stellen würde. Kommt es zum Grexit, ist es nicht seine Schuld und selbst bei einigermaßen erfolgreichen Verhandlungen kehrt er als Sieger nach Hause. So oder so, er kann politisch fast nur gewinnen.

duc

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