Danke - wichtige historische Hintergründe

politicaleconomy, Sonntag, 08.02.2015, 21:23 (vor 3658 Tagen) @ Reffke2613 Views

Hi Reffke,

danke für die Hinweise!

Leider viel zu wenig bekannt, aber heute ziemlich relevant,
Nicht nur wegen Katyn!
Durch den Stalin-Ribbentrop-Pakt wurde Polen je zur Hälfte aufgeteilt:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/07/Ukraine-growth.png

Essentielle historische Info, in unseren durchgeknallten Medien kein Thema (hat Peter Scholl-Latour längst mehrfach bemerkt). Das auf der Karte grün markierte Gebiet, der Großteil der heutigen Ukraine (ohne ihre westlichen Gebiete) war also vor 1917 Teil des russischen Reichs. Das auf der Karte gelb markierte Gebiet, das bis 1939 zu Polen gehörte und dann an die Ukraine abgegeben wurde, erklärt einen Teil der polnischen Haltung zum Ukraine-Konflikt.

Vielleicht noch wichtiger: der westliche Teil der Ukraine (mit Lemberg/Lviv hat eine bewegte Geschichte zwischen Ost und West hinter sich (siehe wikipedia):

4.1 Altrussisches Lwow 1256–1349
4.2 Polnisches Lwów 1349–1772
4.3 Österreichisches Lemberg 1772–1918
4.4 Polnisches Lwów 1918–1939
4.5 Zweiter Weltkrieg
4.6 Sowjetisches Lwow 1945–1991
4.7 Ukrainisches Lwiw ab 1991

Völlig verständlich, wenn sich DIESER (im Verhältnis zur Gesamtukraine relativ kleine) westliche Landesteil zwischen West und Ost hin- und hergerissen fühlt. 1772-1918 war er Teil des Habsburgerreichs (Österreich-Ungarn), deshalb sprechen beispielsweise in Czernowitz in der Bukowina noch viele Leute deutsch!

Daß die USA diese West-Affinitiät der Westukrainer utilisiert haben, um sich die GESAMTukraine ("territoriale Integrität" der Ukraine) als Vasallenstaat unter den Nagel zu reißen und damit auf von der Geschichte her ureigen russisches "Heartland" vorzudringen, lag aus deren Perspektive nahe, die Lüge besteht aber natürlich in der völligen Ausblendung der Geschichte des Landes und der verschiedenen Landesteile. "Annexion" wird gerade aus dieser Perspektive als rein ideologischer Kampfbegriff der USA erkennbar, mit der die USA ihren Imperialismus rücksichtslos und mit verdeckten Mitteln auf das zentraleuropäische Heartland richten.

Daher - Dein Hinweis ist mehr als nötig.

Hinzu kamen Tschechisches und Rumänisches Gebiet,

Ja, die Rumänen hatten auch Czernowitz mal besetzt. Und das heute autonome Transnistrien, dessen Autonomie vielleicht ein Modell für die ostukrainischen, von den Separatisten beanspruchten Gebiete sein könnte - auf der obigen Karte mit Nr. 2 indiziert - wurde erst 1940 an Moldau/Moldawien (damals moldawische Sowjetrepublik) übergeben.

1954 schließlich die Krim als "Geschenk":
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Ukraine

Genau - und war vorher seit 1783 - also über 150 Jahre - russisches Gebiet.

Die \"Ukraine\" enstand erst durch die Wirren der Oktoberrevolution 1917,
http://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_Sozialistische_Sowjetrepublik
bzw 1922:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_Volksrepublik

Genau. Es wird Zeit, daß wir durchamerikanisierten Deutschen und Westeuropäer wieder mit der Geschichte unseres eigenen Kontinents befassen, mit "unserem" Europa! Und für meine, noch während des Kalten Kriegs aufgewachsene Generation, speziell mit dem Teil Europas, der 45 Jahre lang hinter dem eisernen Vorhang lag und als für uns quasi unzugängliche "Verschlußsache" behandelt wurde - mit Mittel- und Osteuropa. [/b]

Ich erinnere mich gut, daß in meinem Schulatlas (bin in den 70er/80er Jahren zur Schule gegangen) die politischen Karten Europas all diese Kulturen einebneten zu EINER Farbe - der der sozialistischen Sowjetrepubliken. Nur im kapitalistischen Westen wurden die Länder farblich differenziert.
Wir müssen Europa wiederentdecken und seine Geschichte VOR dem 2. Weltkrieg entdecken - eine faszinierende Entdeckungsreise, auf der ich mich seit einiger Zeit befinde.

Ganz hervorragend hierfür finde ich die Filme von Volker Koepp, einen hatte ich oben schon verlinkt:

Letztes Jahr in Czernowitz (über das heutige Czernowitz und seine Geschichte)

Oder:

Holunderblüte - über das Kaliningrader Gebiet, eine russische Enklave mitten in der EU zwischen Polen und Litauen, im ehemaligen Ostpreußen.

Dort war ich letzten Sommer, auf der kurischen Nehrung. Und habe an der Brücke von Tilsit gestanden, auf der heute litauischen Seite - und habe über die Memel nach Rußland (Kaliningrader Gebiet) hinübergeschaut: zur Stadt, die bekannt ist für den von aus der Schweiz nach Preußen umgesiedelten Mennoniten hergestellten Käse: Tilsit, die seit 1945 und bis heute Sovetsk heißt.

Ich meine, wir müssen unseren Blick und unsere Herzen auch nach Osten öffnen. Ich bin erstaunt, wie viel vertrautes europäisches es dort zu entdecken gibt - und doch sollte es eigentlich selbstverständlich sein, und das war es bis 1945 auch. Der kalte Krieg hat das Gesicht Europas verändert, doch für ein "neues", eigenständiges Europa müssen wir zurück zum Europa vor WK II und dieses neu kennenlernen - DAS war das EIGENTLICHE Europa, mit einer weit zurückreichenden gemeinsamen Geschichte, aus dem wir Inspiration auch für ein eigenständiges Europa der Zukunft jenseits des US-Konstrukts "EU" schöpfen können.

Wir haben dabei nur zu gewinnen.


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