Leserzuschrift: Schäuble und Varoufakis: Mehr Harmonie hätte nicht sein dürfen - von melethron

Gaby @, Freitag, 06.02.2015, 23:45 vor 3962 Tagen 7097 Views

Hallo Zusammen,

Ich hab mir die Schäuble-Varoufakis Pressekonferenz angeschaut. Gaby hat vollkommen Recht! Die sind sich erstaunlich einig. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass Schäuble so weit zurückrudert wie es ihm überhaupt nur möglich war ohne seine Glaubwürdigkeit zu schädigen.

Hier mal der Versuch einer Detailanalyse der Aussagen (und Körpersprache). Ich hab zwar irgendwann mal ein Buch über Körpersprache gelesen, aber ich bin da aber weder Experte noch versierter Laie. Im Gegenteil ich schätze mich selbst sogar als schlecht ein im Körpersprache lesen. Ich denke aber, dass ein paar Ausdrücke SO dermaßen deutlich sind, dass selbst ich sie richtig deuten kann (lasse mich aber gerne eines besseren belehren und würde mich über Kritik freuen).


Ab 20:41 sagt Schäuble: "nicht überzeugend gewesen" anstatt "nicht zu erwarten gewesen". Er verweist somit nicht auf seine Position, sondern nur auf seine Glaubwürdigkeit!

Bei 23:18 kratzt er sich am Hinterkopf, was ein Zeichen für Unsicherheit sein kann. Prinzipiell könnte es ihn auch einfach nur jucken, aber er versucht zu gleichen Zeit durch sein "aufbäumen" und die Betonung seiner Aussage Gewicht zu verleihen. Diese Kombination aus Nachdrücklichkeit UND Kratzen ist ein deutlicher Hinweis, dass er selber nicht glaubt was er sagt.

Bei 28:58 habe ich den sehr subjektiven (!) Eindruck, dass Schäuble mit ganz anderen Erwartungen (Stichwort: Linkspopulist) in das Gespräch ging und vermutlich Varoufakis seinen Kritikpunkten gar nicht widersprochen hat. Er wirkt da fast schon erleichert und denke er wurde unglaublich positiv überrascht.

Ab 29:46 Sehr subjektiver Eindruck (aber wenn ich richtig liege, ist es eigentlich ein ziemliches Eingeständnis): Ein seit Jahren amtierender Finanzminister sagt über den gerade ins Amt gekommenen Finanzminister: "...er - im Gegensatz zu mir - ein erfahrener Ökonom ist...". Das könnte natürlich auch nur eine Floskel, der Punkt ist aber: Die Floskel passt nicht zur deutschen Haltung vor dem Gespräch. Ich halte die Aussage für authentisch und glaube das Schäuble von Varoufakis Kompetenz unglaublich positiv überrascht wurde!

Ab 30:38 "Was wir beide wahrscheinlich - so wir uns unterhalten haben - schnell miteinander zustande bringen können...". Also Uneinigkeit ist das nicht! Die einzige Diskrepanz, die es hier wohl gibt, ist die politische Erfahrung. Mein sehr subjektiver Eindruck: Der spricht wie ein von seinem Schüler begeisterter Mentor.

Ab 35:00 GAAAAANZ frei übesetzt: "Wir sind uns nicht einig, weil von uns erwartet wird, dass wir uns nicht einig sind." Mein Eindruck von seinem gequälten Blick ist, dass er sich mit dieser behaupteten Uneinigkeit total schwer tut. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er nicht zu weit geht, wenn er sagt, dass sie sich eigentlich einig sind, aber fühlt sich eben aus innere Überzeugung verpflichtet die Wahrheit zu sagen.

Der Rest von Varoufakis ist dann abgelesen und ich es kam in meinen Augen eigentlich nichts wirklich Wichtiges oder Neues. Kleiner Seitenhieb noch gegen Schäubles "Wahlen-Zitat" bei 41:16 und ich (persölich) finde es interressant, dass er bei 41:38 Hegel und Kant, aber nicht Marx aufzählt. Auch erwähnenstwert finde ich, dass Varoufakis sich leichter tut, frei zu antworten, als seine Rede abzulesen.

Insgesamt hab ich ein ganz anderes Bild als es in der (deutschen) Presse rüber kam. Harmonischer wäre es nicht "überzeugend" gewesen.

Grüße
melethron

PS: Eingestellt von mir, weil er mir es geschickt hat. Sorry für den Footer, das ist natürlich meiner, nicht seiner

--
"Das Dumme an Internetzitaten ist, dass man nie weiß, ob sie auch stimmen." Leonardo da Vinci

Ja, mein Eindruck war ähnlich

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 00:44 vor 3962 Tagen @ Gaby 5301 Views

Hallo Melethron,

mein Eindruck war ähnlich - für ein erstes Gespräch bemerkenswert. Ich halte Schäuble für lernfähig. Sein Problem ist nicht, daß er eine Agenda hat oder von Lobbyisten abhängig ist. Er vertraut gutgläubig und naiv seinen Beratern in ökonomischen Dingen, weil das, was sie sagen, seinem Juristen-Hausverstand ("pacta sunt servanda") plus seinem spontanen schwäbischen einzelwirtschaftlichen Verständnis entsprechen ("jeder kehre vor seiner eigenen Tür" - hat er ja wörtlich auf der Pressekonferenz so gesagt).

Ich halte ihn aber für einen integren Menschen, der im Prinzip lernfähig ist. Und ich halte YV für fähig, ihm in weiteren Gesprächen in einem längeren Prozess die mikro/makro-Paradoxa so zu erklären, daß Schäuble seine Position ändert und YV's "modest proposal" unterstützt. Würde YV das gelingen, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter. Da ich auch das Gefühl habe, daß Schäuble YV als glaub- und vertrauenswürdig empfunden hat, sehe ich da echte Chancen.

Und dann wird es sehr spannend, wie es weitergeht - denn YV hat nicht nur ein "modest proposal", sondern auch "big thinking" im Gepäck - einen New Deal, und eine Vision für die Weltwirtschaft. Aber er geht das sehr sachte an, sehr realistisch - eins nach dem anderen. Und erkennbar hat er mit Schäuble sehr auf die gemeinsamen Ziele (Lösung im Interesse von ganz Europa) fokussiert - und ich denke wie Du, daß Schäuble gespürt hat, daß das nicht geheuchelt war.

Ein echter Lichtblick, seit langem! Und auf Marx zu verweisen, wäre in jeder Hinsicht undiplomatisch und für die Systempresse ein gefundenes Fressen gewesen. Daß er auch da kompetent ist, kannst Du dir bei seinen "confessions of an erratic marxist" anschauen, wobei Du jede Minute genießen wirst.

Ich bin fast versucht zu sagen: VF hat das Zeug zu einem Keynes II fürs 21. Jahrhundert! [[top]]

Und wie geht's Dir sonst?

Beste Grüße!

Versuch mal, einem Konvertiten vom Fehler seiner Entscheidung zu überzeugen

Dieter, Samstag, 07.02.2015, 10:10 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4474 Views

bearbeitet von Dieter, Samstag, 07.02.2015, 15:54

Hallo,
ich glaube das Problem Griechenlands wird nicht ein Widerstand Deutschlands sein, sondern das viel größere Problem werden die Staaten machen, die schon etliche Reformprogramme hinter sich haben, also Irland, Portugal, ggf. Spanien.

Deren Regierungen haben unter Einbuße ihrer Popularität einen Weg eingeschlagen, der Ihnen sogar volkswirtschaftliche Erfolge bescheinigte. Wie sollen diese Regierungen ihrer Bevölkerung sagen, daß es auch viel leichter hätte gehen können. Deren Opposition wird frohlocken, aber deren konvertierte Regierungen?

Gruß Dieter

die Regierungen - und das Volk interessiert dich nicht? Seltsamer Blick ...

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 12:43 vor 3962 Tagen @ Dieter 4200 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 13:03

Hallo Dieter,

ich glaube das Problem Griechenlands wird nicht ein Widerstand
Deutschlands sein, sondern das viel größere Problem werden die Staaten
machen, die schon etliche Reformprogramme hinter sich haben, also Irland,
Portugal, ggf. Spanien.

Deren Regierungen haben unter Einbuße ihrer Popularität einen Weg
eingeschlagen, der Ihnen sogar volkswirtschaftliche Erfolge bescheinigte.
Wie sollen diese Regierungen ihrer Bevölkerung sagen, daß es auch viel
leichter hätte gehen können. Deren Opposition wird frohlocken, aber deren
konvertierte Regierungen?

Interessant, daß Du Dich nur für die Regierungen interessierst - offensichtlich nicht aber für die offensichtlichen Interessen der Spanier oder Portugiesen, deren Jugend zu über 50% keinen Job mehr hat.

Was haben denn die Griechen mit ihrer zu Sklaven der Troika konvertierten Regierung gemacht? Sie zum Teufel geschickt.

Ich sehe das Problem in D mittelfristig auch weniger bei Schäuble, als bei den deutschen Medien und Wählern, denen Schäuble ja auch gerecht werden will.

Es könnte nun generell ein Wettrennen geben zwischen neu-/ultrarechten, die überall auf dem Vormarsch sind, allen Ländern voran Frankreich (in Prozent Wähleranteil), Linken und Kriegstreibern.

Es ist keine Frage, die Stimuluspackages werden kommen, daran führt kein Weg vorbei. Das große Ringen wird sich darum abspielen, ob sie eingebettet werden in einen Plan zum Ausgleich der Leistungsbilanzen in Europa (Varoufakis' "surplus recycling mechanism") in friedliche Zwecke fließen - wie in Varoufakis' "Green New Deal" oder Schulmeisters "New Deal" und dann auch zu internationaler Verständigung über eine Neuorganisation des Weltwährungssystems führen.

Oder - wie in den 30ern - in kriegerische Zwecke. Jegliches Weiterdrehen der Austeritäts-Spirale lenkt Kräfte in diese Richtung. Je später die Austerität aufgegeben wird, desto eher werden die Stimuluspackages in Aufrüstung fließen.

Den größten Widerstand gegen eine Neuordnung des Weltwährungssystems - der Einrichtung eines globalen "surplus recycling mechanism" wie der von Keynes 1944 in Bretton Woods vorgeschlagenen internationalen clearing union (Bancor-Plan)- werden auch weiterhin - wie seit Bretton Woods - die USA leisten. Die Kriegstrommeln, die dort vom militärisch-industriellen Komplex gerührt werden, dürften auch deshalb in Washington gehört und Kriegswirtschaft als Option gesehen werden.

Jedenfalls würde eine friedliche Lösung auch beim wankenden Hegemon USA einen grundlegenden Sinneswandel erfordern - eine Herkulesaufgabe. Es gibt zwar Stimmen aus den USA, die in diese gemäßigte Richtung deuten, sogar von prominenten Leuten wie Kissinger, Mearsheimer vom Council on Foreign Relations, und dem Ex-Neocon Fukuyama (ich hatte dazu gepostet).

Jedenfalls kann Zynismus und Attentismus keine Lösung sein. Wir müssen hierzulande das unsere tun, um eine kriegerische Entwicklung zu verhindern. Denn wir haben nicht eine "Griechenlandkrise", eine "Eurokrise", eine "Schuldenkrise", eine "Krise des Geldsystems" etc. - das sind alles nur Teilaspekte. Sondern ein von der Hegemonialmacht USA geschaffenes und aufrechterhaltenes dysfunktionales Weltwährungssystem, das die wankende Hegemonialmacht USA bei dem Versuch, ihre Hegemonialstellung durch imperialel Politik zu halten, dennoch mit allen Mitteln aufrechterhalten will. Wir haben also eine Krise der Hegemonialmacht, und der gesamten Weltordnung in einer seit 2008 v.a. in Europa höchst labilen Situation.

Gruß
PE

USA Interessen haben immer Vorrang..............

ottoasta @, Samstag, 07.02.2015, 12:54 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4044 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 15:51

........da kannst du zurückschauen in der Geschichte!
Es verging bis heute kaum ein Jahr seit Gründung der USA, wo nicht irgendwo ein Krieg, kriegerische Handlung, Umsturz usw. durch die USA herbeigeführt wurde.

Bernhard Bouvier hat mal eine Tabelle darüber erstellt, vielleicht liest er hier mit?

Immer im Interesse der USA; Rücksicht auf andere Völker kennen die nicht! America first!
Und das seit ca. 220 Jahren!

Also, in absehbarer Zeit wird sich hier nichts ändern und wenn die sich bedroht fühlen, werden sie sicher wieder einen Krieg vom Zaun brechen!

Dass die USA friedlich und freiwillig ihre Vorherrschaft, auch im Finanzwesen, aufgeben, ist reine Illusion!

Otto

--
Solange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben.
Tolstoi

Stimme Dir zu, aber ...

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 13:17 vor 3962 Tagen @ ottoasta 3894 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 13:50

Grüß Dich Otto,

prinzipiell sehe ich das auch so.

Allerdings haben die USA sich seit Bush jr. international sehr viele Sympathien verscherzt, und stehen relativ isoliert da. Die Möglichkeit einer eurasischen Union scheint ebenfalls auf, natürlich auch mit entsprechenden, denen der USA zuwiderlaufenden geostrategischen Interessen Rußlands, Chinas, Indiens, Brasiliens ... nicht zufällig kommen ja aus dieser Ecke immer wieder Stimmen, die eine Neuordnung des Weltwährungssystems vorschlagen (China 2009, Putin zuletzt auf seiner Valdai-Rede ...).

Und Westeuropa ist mittendrin, plus mitten in einer Orientierungskrise.

Die Dinge sind also volatil und im Fluß - und wie Du denke ich, daß die Gefahr, daß die USA aggresiv werden, groß ist.

Aber willst Du aufgeben und es widerstandslos hinnehmen?

Prinzipiell haben die USA die Wahl, als aggresive imperiale Macht oder als ordnende Hegemonialmacht aufzutreten (siehe dazu Kissingers neues Buch und Mearsheimers Artikel).

Die Frage wäre: wie kann man - auf allen Ebenen - die mäßigenden Kräfte stärken und die aggressiven Kräfte schwächen (fängt m.E. beim eigenen Denken an). Kann die US-Bevölkerung - im Gegensatz zum militärisch-industriellen Komplex und seinen Strohmännern im Pentagon und im weißen Haus - wirklich ein Interesse an einem Krieg haben?

Gerade an die amerikanische Öffentlichkeit müßte sich ein für die Notwendigkeit der Neuordnung der Weltwirtschaft sensibilisiertes Europa wenden.

Rede und Interview von Lawrow

aliter @, Samstag, 07.02.2015, 13:39 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4036 Views

habe mir soeben das Interview von Merkel, die Rede Lawrows und dessen Pressekonferenz angesehen.
Während Merkel überwiegend vorsichtig unverbindlich immer mit Schlüsselworten die westlichen Essentials zitierend (9/11 etc) hauptsächlich darlegte, dass ein Krieg sinnlos sei, zog Lawrow die deutlichen Worte vor.
Auch die Argumentationen bei der Pressekonverenz waren souverän, da merkte man den routinierten internationalen Politiker.
Der BR hatte wohl einen super linientreuen Kommentator - den Prof. aus Regensburg - aus dem Hut gezogen.
Fraglich sinnfreie Banalitäten (die Amis haben bei dem Mauerbau keinen Krieg begonnen - warum sollten sie?, Berlin als Flugzeugträger im Sowietreich war ja sicher!) zog ihn zu Begeisterungsstürmen hin.
Hochinteressante politische Vorschläge - nämlich die modifizierte eurasische Wirtsachaftsunion - ging in seinem banalen Verdikt der Rede Lawrows als stalinistisch unter, zu Sachfragen hatte er keinen Ton gesagt, meinte nur es gäbe am ganz linken und rechten Rand - völlig unverständlicherweise ! - Putinverstehen ja genauer "auf-Putin-Hereinfaller".
Alte Erkenntnis: nur das Original zählt, Kommentare kann man sich in der Regel schenken.

Kannst Du die Links posten? Danke (oT)

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 13:52 vor 3962 Tagen @ aliter 3610 Views

- kein Text -

auf Bayrischer Rundfunk Fernsehen

aliter @, Samstag, 07.02.2015, 15:06 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 3792 Views

Es war (und läuft vermutlich jetzt noch) die life Übertragung der Münchner Sicherheitskonferenz. Ob dies im Podcast des BR abrufbar ist, kann ich nicht sagen. mfg

Kurzfristig sitzen aber noch alte Regierungen im Sattel

Dieter, Samstag, 07.02.2015, 17:32 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 3639 Views

bearbeitet von Dieter, Samstag, 07.02.2015, 18:32

Hallo,
derzeit sitzt z.B. die Regierung von Portugal noch fest im Sattel. Insofern kannst Du davon ausgehen, daß die mit Sicherheit eher Vertragstreue der Griechen einfordern werden als z.B. Schäuble. Sollten die Griechen aus Sicht z.B. der Portugiesen mehr rausholen als es anderen gelungen ist, dann würden sie damit ihrem Wahlvolk kundtun, daß sie keine gute Wahl waren und somit wäre automatisch ihre Stellung gefährdet und die Opposition wäre am Drücker.

Seit wann handeln Regierungen für Ihr Volk?

Bezüglich Jugendarbeitslosigkeit: Schau mal in diese Tabelle:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/74795/umfrage/jugendarbeitslosigkeit-in-e...
Da liegt Portugal z.B. gerade mal 10% über Europa-Durchschnitt
Arbeitslosenquoten Europa
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/160142/umfrage/arbeitslosenquote-in-den-e...

Gruß Dieter

Ups

Jacques, Samstag, 07.02.2015, 11:16 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4483 Views

Hallo pe

Ich bin fast versucht zu sagen: VF hat das Zeug zu einem Keynes II fürs
21. Jahrhundert! [[top]]


Genau das hoffentlich nicht,
Erstmals besteht die Chance, ein solches System im grossen Stil zu sprengen und die öst. Schule zu installieren.

Da geht es nicht nur Schäuble so....

ottoasta @, Samstag, 07.02.2015, 12:06 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4224 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 15:53

****

mein Eindruck war ähnlich - für ein erstes Gespräch bemerkenswert. Ich
halte Schäuble für lernfähig. Sein Problem ist nicht, daß er eine
Agenda hat oder von Lobbyisten abhängig ist. Er vertraut gutgläubig und
naiv seinen Beratern in ökonomischen Dingen, weil das, was sie sagen,
seinem Juristen-Hausverstand ("pacta sunt servanda")

****
.... sondern auch Leuten wie unserem @dottore, also einem Wirtschaftswissenschaftler, der sich auch nicht vorstellen konnte, dass die EU Bürokraten zusammen mit dem höchsten Gericht reihenweise die beschlossenen Gesetze bzw. Vereinbarungen brechen bzw. geschickt umgehen!

Es ist ja für jeden Interessierten sichtbar, wie die Juristen am Bundesverfassungsgericht und am Europ. Gerichtshof die Paragraphen drehen und wenden, solange bis es den Politikern passt!

Dies vorauszusehen war für integre Leute wie @dottore undenkbar! Es gehört schon viel Bösartigkeit der Politik dazu, so zu handeln! Für einen Menschen, der noch in einer Zeit des 'ehrbaren Kaufmannes' aufgewachsen ist, wäre dies nicht vorauszusehen!

Otto

--
Solange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben.
Tolstoi

Schäuble und "naiv". Glaubst du, was du da sagst?

Olivia @, Samstag, 07.02.2015, 13:46 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4039 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 14:02

Ich

halte Schäuble für lernfähig. Sein Problem ist nicht, daß er eine
Agenda hat oder von Lobbyisten abhängig ist. Er vertraut gutgläubig und
naiv seinen Beratern in ökonomischen Dingen, weil das, was sie sagen,
seinem Juristen-Hausverstand ("pacta sunt servanda") plus seinem spontanen
schwäbischen einzelwirtschaftlichen Verständnis entsprechen ("jeder kehre
vor seiner eigenen Tür" - hat er ja wörtlich auf der Pressekonferenz so
gesagt).

Ich halte ihn aber für einen integren Menschen, der im Prinzip lernfähig
ist.

................

Ich halte ihn zwar auch für einen integeren Politiker (trotz der Kohl-Affaire), aber für alles andere als naiv. Und ganz besonders seinen Beratern gegenüber. Wenn irgend jemand gut "informiert" ist (und hinter die Kulissen schaut), dann kannst du sehr sicher sein, dass das Schäuble ist. Der ist aber nicht eitel und damit um einiges weniger manipulierbar. Und ..... der ist so lange an so exponierter Stelle "im Geschäft", dass er bereits alle möglichen Menschengattungen, "Falsche Fuffziger" und "Hoffnungsträger" oder "Überzeugungstäter" hat kommen und gehen sehen. Der wird schauen, was "am Ende" rauskommt. Das ist ein hochintelligenter Mann und wenn er auf jemanden treffen sollte, den er ähnlich einschätzt, dann wird er wohl Gefallen daran finden. Warten wir es ab. Die Zukunft wird es zeigen.

Die Zukunft wird auch zeigen, wieweit die Realitätseinschätzung der Gesprächspartner valide ist oder auch nicht und inwieweit man als "kleines" Land (das trifft sowohl auf Griechenland als auch auf Deutschland zu) überhaupt autonom sein kann und was die Alternative ist. Die gesamte geostrategische Situation ist ja alles andere als beruhigend.

Und diejenigen, die meinen, dass diese Krise "mit einfachen Rezepten" zu bewältigen wäre, die halte ich für Traumtänzer. Da sind "überall" massivste Umstrukturierungen nötig und es wird wohl kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Das betrifft nicht nur die Südschiene! Die "Party" der "Nordländer" findet nur auf einer anderen Ebene statt. Wenn man wissen will, wo das Geld verschwindet, dann muß man sich nur den Bundeshaushalt, die nicht ausgewiesenen Schulden, die "versteckten" zusätzlichen Verschuldungsmöglichkeiten etc. anschauen.

--
For entertainment purposes only.

naiv, was Makroökonomie angeht (er ist Jurist und orientiert sich am einzelwirtschaftlichen "schwäbische-Hausfrau-Modell")

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 13:56 vor 3962 Tagen @ Olivia 3998 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 14:04

Was ihm fehlt, ist ein gesamtwirtschaftliches Verständnis von Kreditwirtschaft (inclusive deflationärer Krisen), unterfüttert durch das dazugehörige historische Wissen um die Erfahrungen der 30er Jahre, in denen dieses Wissen entwickelt wurde:

Der Blick auf die Gegenbuchung zu den Schulden (Lautenbach: bist Du Volkswirt, beachte stets des anderen Gegenbuchung) und die Einsicht in den paradoxen Zusammenhang zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlicher Logik (Kreislaufparadoxa: Keynes, Stützel).

Und die Funktionsweise des Goldstandards in den 30er Jahren.

Oder wäre Dir bekannt, daß der Jurist Schäuble dazu irgendwo jemals etwas geschrieben oder gesagt hätte?

Daß er einzelwirtschaftlich denkt, zeigt nicht nur sein ganzes Handeln, sondern auch der Spruch, den er in der PK als Kern seiner Weisheit preisgegeben hat: "jeder kehre vor seiner eigenen Tür". Prinzipiell richtig, aber vielleicht gehört dazu: "aber kehre den Dreck nicht dem Nachbarn vor die Haustür" (beggar thy neighbor). Daraus würde nämlich folgen, daß D gegenüber GR und den PIIGS seine Beggar-thy-Neighbor-Politik aufgeben muß, wie umgekehrt. Ein Agreement darüber wäre durchaus möglich, wenn auch nicht im Interesse der deutschen Exportindustrie, wohl aber der deutschen Binnenwirtschaft (und damit vielen kleinen und mittleren Unternehmen).

Daß es Mechanismen gäbe, beggar thy neighbor systematisch zu verunmöglichen (Prototyp hier), weiß Schäuble vermutlich genausowenig wie heute auch geschätzte 95% der Deutschen. Varoufakis dagegen schon, und er kann es Schäuble auch erklären.

Wie alt bist du? Schon mal mit "Debitismus" befasst?

sensortimecom ⌂ @, Samstag, 07.02.2015, 14:01 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4041 Views

P.C. Martin gelesen? Oder Heinsohn/Steiger: Eigentum, Zins und Geld"? Oder Enghofer/Knospe: "Schulden, Geld und Zins"?
... wär an der Zeit...

Mann oh Mann. Einen Schäuble als "gutgläubig und naiv" zu bezeichnen... da gehört schon ein schönes Stück Chuzpe dazu.

Jetzt muß ich aber wirklich lachen

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 14:09 vor 3962 Tagen @ sensortimecom 3995 Views

Hi,

P.C. Martin gelesen? Oder Heinsohn/Steiger: Eigentum, Zins und Geld"? Oder
Enghofer/Knospe: "Schulden, Geld und Zins"?
... wär an der Zeit...

Natürlich. Ich rede ja die ganze Zeit nur von Schulden/Forderungen, nicht mitbekommen?

Mann oh Mann. Einen Schäuble als "gutgläubig und naiv" zu bezeichnen...
da gehört schon ein schönes Stück Chuzpe dazu.

Gutgläubig und naiv seinen ökonomischen Beratern gegenüber. Oder kannst Du mir zeigen (Link), wo er makroökonomische Kompetenz bewiesen hat?

Gruß
PE

Makroökonomische Kompetenz?

sensortimecom ⌂ @, Samstag, 07.02.2015, 14:30 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 4099 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 07.02.2015, 14:34

Gutgläubig und naiv seinen ökonomischen Beratern gegenüber. Oder kannst
Du mir zeigen (Link), wo er makroökonomische Kompetenz bewiesen hat?

Der Mann ist Politiker, wurde von seinem Volk gewählt, und seine Aufgabe ist, für die Interessen seines Landes einzustehen. Der braucht kein Wirtschaftswissenschaftler zu sein, wenn es um ein Land mit astronomischen Schulden geht, genügt auch einfaches Wissen aus der Praxis, um abzuschätzen was sein kann, was nicht sein kann, und was nicht sein darf.

Was Varoufakis betrifft, so mag der noch so intelligent und theoretisch beschlagen sein, aber ich glaube nicht, dass der auch nur eine Würstelbude in Athen über einige Jahre profitabel führen könnte...<img src=" />

Auf den Punkt gebracht!

Olivia @, Samstag, 07.02.2015, 14:52 vor 3962 Tagen @ sensortimecom 3997 Views

Der braucht kein
Wirtschaftswissenschaftler zu sein, wenn es um ein Land mit astronomischen
Schulden geht, genügt auch einfaches Wissen aus der Praxis, um
abzuschätzen was sein kann, was nicht sein kann, und was nicht sein darf.

Was Varoufakis betrifft, so mag der noch so intelligent und theoretisch
beschlagen sein, aber ich glaube nicht, dass der auch nur eine Würstelbude
in Athen über einige Jahre profitabel führen könnte...<img src=" />

.................

Sehr gut auf den Punkt gebracht!

DAS sind nämlich ganz unterschiedliche Arten von Intelligenz!
:-)))

--
For entertainment purposes only.

Besten Dank für Deine qualifizierten Beiträge

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 14:58 vor 3962 Tagen @ Olivia 3918 Views

[[applaus]]

Aber jetz is auch gut.

Danke für diese hervorragenden Kommentar

politicaleconomy @, Samstag, 07.02.2015, 23:28 vor 3962 Tagen @ sensortimecom 3633 Views

Hi,

Der Mann ist Politiker, wurde von seinem Volk gewählt, und seine Aufgabe
ist, für die Interessen seines Landes einzustehen. Der braucht kein
Wirtschaftswissenschaftler zu sein, wenn es um ein Land mit astronomischen
Schulden geht, genügt auch einfaches Wissen aus der Praxis, um
abzuschätzen was sein kann, was nicht sein kann, und was nicht sein darf.

Der Mann ist Finanzminister und als solcher makroökonomische Aufgaben zu erfüllen. Wer nicht kapiert, daß er dafür makroökonomisch Bescheid wissen muß, läßt sich vermutlich auch sein Auto vom Zahnarzt reparieren und sich selbst vom Chefkoch operieren.

Was Varoufakis betrifft, so mag der noch so intelligent und theoretisch
beschlagen sein, aber ich glaube nicht, dass der auch nur eine Würstelbude
in Athen über einige Jahre profitabel führen könnte...<img src=" />

Selig sind die Gläubigen. Amen.

Na ja, ist halt Deine Meinung!

Olivia @, Samstag, 07.02.2015, 14:45 vor 3962 Tagen @ politicaleconomy 3895 Views

Was ihm fehlt, ist ein gesamtwirtschaftliches Verständnis von > Kreditwirtschaft (inclusive deflationärer Krisen), unterfüttert durch das > dazugehörige historische Wissen um die Erfahrungen der 30er Jahre, in > denen dieses Wissen entwickelt wurde: > > Der Blick auf die Gegenbuchung zu den Schulden (Lautenbach: bist Du > Volkswirt, beachte stets des anderen Gegenbuchung) und die Einsicht in den > paradoxen Zusammenhang zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlicher Logik > (Kreislaufparadoxa: Keynes, Stützel).

.......


DASS Schäuble diese "gigantischen" Weisheiten nicht kennen sollte, das halte ich für ein medientaugliches Gerücht. Das sind Workoholics, die wissen, dass jeder versucht (auch mithilfe seines theoretischen Unterbaus) Vorteile zu nutzen. Außerdem bläut ihm die anglo-amerikanische "Schiene" den Kram ja ständig ein. Die entsprechenden "Berater" haben sie ihm sicherlich zu Haufe geschickt.

Da wird er wohl die Zeit genommen haben, sich selbst zu informieren. Die lernen übrigens oft erheblich schneller als andere, weil sie theoretische Modelle in Beziehung zu praktischen ERfahrungen und Beobachtungen setzen können. Etwas, was "reinen" Theoretikern leider meist vollkomen abgeht und fehlt. Volkswirtschaft ist keine "so" hohe Kunst und Schäuble wird sehr genau wissen, welche Zunft uns mit welchen Methoden, Mitteln und "Hoffnungswerten" den ganzen Dreck eingebrockt hat. Schwieriger wäre es sicher, wenn er sich in die höhere Mathematik einarbeiten müßte. :-)))).

Damit will ich jedoch nicht sagen, dass die "Lage" nicht komplex sei. Eines der Mittel zur Krisenbewältigung/Sanierung aber lautet; Reduzierung von Komplexität! Betrachte es einfach mal aus dieser Perspektive statt aus der Hausfrauen-Perspektive. Die dazu erforderlichen Methoden werden durch "learning by doing" entwickelt. Keiner hat erprobte Rezepte für eine solche Situation. Da passieren selbstverständlich Fehler! Und wenn ich die Myriaden von mehr oder weniger "klugen" Analysten und Beratern und die pausenlosen "Ratschläge" höre, die "alles" besser wissen ....

na ja, irgendwie müssen die halt auch ihr Geld verdienen und das geht nun wohl mal am besten mit Geschrei!

--
For entertainment purposes only.

Beggar Thy Neighbour: "In Griechenland lässt es sich dank europäischer Hilfe besser leben als in Osteuropa" ...

CrisisMaven ⌂ @, Samstag, 28.02.2015, 16:20 vor 3941 Tagen @ politicaleconomy 3252 Views

.... meint (not all finance ministers are created equal) Simeon Djankov, bis 2013 Finanzminister und stellvertretender Regierungschef von Bulgarien:

"Unsere Leute sind zu recht sauer, dass es sich Athen auf Kosten der EU gutgehen lässt, während wir uns allein durchbeißen."

Der hat das mit der Zwangssolidaritaet halt nur noch nicht begriffen ...

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