war vorhersagbar - und wurde vorhergesagt, und von der blinden Öffentlichkeit samt Politik in den Wind geschlagen

politicaleconomy @, Donnerstag, 29.01.2015, 17:51 vor 3663 Tagen @ sprit 4073 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 29.01.2015, 17:57

Aber keine Sorgen, die Berliner und Brüsseler Größen stehen für die
Rückzahlung garant, haben sie ja alternativlos gesagt.

http://www.zerohedge.com/news/2015-01-29/alexis-tsipras-open-letter-germany-what-you-we...

Wer es noch immer nicht getan hat, sollte es sich jetzt anschauen:

Präzise Analyse der Euro-/GR-Krise von 2012 von Flaßbeck (anschließende Diskussion ebenfalls hoch sehenswert):

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=256850 (mit thread)

Die einzige, aber sehr wichtige Schwachstelle in seiner Analyse: das Ausblenden der institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen für Kapitalismus in GR, die nicht vollständig vorhanden sind. DER blinde Fleck aller Keynesianer und Saldenmechaniker.

Alles war leicht vorherzusehen - nur nicht von unseren blind gemachten Politikern. Profiteure: die kreditgebenden Banken, die sich nach dem Megabailout von 2008 als unsinkable kings of the world fühlen konnten und auch hier darauf spekulieren: GR ist pleite und wird nie zurückzahlen, wenn es zu Austerität gezwungen wird, sowieso: ABER DIE EU WIRD MIT DEM ESM AUCH DAS ÜBERNEHMEN, SODASS WIR EINMAL MEHR IN DIESEM NULLSUMMENSPIEL DIE EUROPÄISCHEN "STEUERZAHLER" FÜR UNSERE GEWINNE VERSCHULDEN KÖNNEN.

ENTEIGNUNG DER MASSEN ÜBER DEN IDEOLOGISCH VERDECKTEN UMWEG MITTELS NEOLIBERALER IDEOLOGIE GLEICHGESCHALTETER POLITIKER UND ZENTRALBANKEN.

Flaßbeck über die Plutokratie bei Paul Jay (Real News Network):
https://www.youtube.com/watch?v=GWednAjxWdQ (Teil 1 von 5)

Nanu? Wo siehst Du denn Steuerzahler geschaedigt?

Miesespeter @, Donnerstag, 29.01.2015, 19:20 vor 3663 Tagen @ politicaleconomy 3446 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 29.01.2015, 19:38

Hi PE,


Alles war leicht vorherzusehen - nur nicht von unseren blind gemachten
Politikern. Profiteure: die kreditgebenden Banken, die sich nach dem
Megabailout von 2008 als unsinkable kings of the world fühlen konnten und
auch hier darauf spekulieren: GR ist pleite und wird nie zurückzahlen,
wenn es zu Austerität gezwungen wird, sowieso: ABER DIE EU WIRD MIT DEM
ESM AUCH DAS ÜBERNEHMEN, SODASS WIR EINMAL MEHR IN DIESEM NULLSUMMENSPIEL
DIE EUROPÄISCHEN "STEUERZAHLER" FÜR UNSERE GEWINNE VERSCHULDEN KÖNNEN.

Verstaendnisfrage:

Wenn - wie ja zb Varoufakis vorschlaegt , die Schulden vom griechischen Staat ueber komplexe Strukturen und byzantinische Argumentationen (um den Vorgang fuer die einfache Medienpropaganda moeglichst unverdaulich zu machen) auf supranationale Entitaeten (EZB, ESM, EIB, EIF) umgebucht werden, vermutlich unter Zinsverzicht, wo siehst Du da den europaeischen Steuerzahler verschuldet?

Ich sehe nur eine nationale Entitaet, die zahlungsunfaehig ist, und mindestens eine supranationale Entitaet, die es nicht ist und nie werden wird (EZB).

Den Steuerzahler, als Individuum, der ueber seine abgefuehrten Steuern das Kapital der Banken auffrischt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen?


ENTEIGNUNG DER MASSEN ÜBER DEN IDEOLOGISCH VERDECKTEN UMWEG MITTELS
NEOLIBERALER IDEOLOGIE GLEICHGESCHALTETER POLITIKER UND ZENTRALBANKEN.

Daher faellt es mir auch schwer, hier eine Enteignung der Massen zu erkennen.

Es wird den Massen ja nichts genommen.

Vielmehr wird - finanztechnisch gesehen - den Sparern als Glaeubiger der Banken, Versicherungen und sonstigen Finanzinstituten garantiert/gegeben. Und denselben Sparern als Inhaber von Finanzforderungen und -titeln im gleichen Zug genommen, indem die Geldbasis verbreitert wird (und dadurch - zumindest theoretisch - inflationiert wird; in der Praxis, siehe Japan, sind die Auswirkungen in dieser Richtung je nach Umfeld sehr beschraenkt). Es ist ein Nullsummenspiel psychologischer Art, und sowohl Soll wie Haben schlagen auf die Konten der Sparer.

Die Massen hingegen haben kaum etwas, was man enteignen koennte. Man kann sie hoechstens verarmen, indem man ihr zukuenftiges Einkommen kuerzt.

Realkapitalistisch betrachtet - und am Ende des Tages geht es doch darum, der gesamte debitistische Spielaufbau dient der Erzwingung (und der Verteilung) immer groesseren Realoutputs und Realvermoegen - ist das Einkommen als Kriterium jedoch auch nicht ausreichend, um den Wohlstand zu betrachten, sondern muss selbstverstaendlich in Relation zur Kaufkraft gesetzt werden.

Fuer die Griechen zb waere es hilfreich, wenn die EU Einfuhrzoelle auf Non-EU Produkte erheben wuerden (wie China das selbstverstaendlich umgekehrt macht), um ihre Arbeitsplaetze konkurrenzfaehiger zu machen.

Gleichzeitig wuerde dies aber natuerlich die Produkte fuer (alle) Konsumenten in der EU verteuern. Am Ende haette der statistisch durchschnittliche EU-Buerger dann zwar mehr Einkommen, koennte aber vermutlich damit nicht mehr kaufen als vorher.

Umgekehrt ist es ebenso. Laesst man alle Billigprodukte zollfrei hinein, die mit Lohnkosten von 200 Euro/Monat produziert werden, dann sind viele Arbeitsplaetze in Europa nicht mehr aufrechtzuerhalten (es sei denn, die Loehne fallen hier auch auf 200 Euro plus ein paar Euro Nearshore-Transaktionskostenvorteile). Gleichzeitig kosten aber viele Produkte nur einen Bruchteil dessen, was sie bei alternativer EU-Produktion kosten wuerden. Der statistisch durchschnittliche EU-Buerger hat nun zwar weniger Einkommen, kann aber billiger kaufen als vorher.

Das einzige Problem besteht doch darin, dass es den 'statistisch durchschnittlichen EU-Buerger' in der Reinform nicht gibt, sondern eben manche ueber der Norm liegen (und somit - teils erheblich - profitieren) und andere unter der Norm (und somit zum Verlierer werden).

Die Aufgabe waere doch also, hier realistische und praktikable Mindeststandards zu definieren, und dann einen gewissen Ausgleich von den Gewinnern zu den Verlierern zu gestalten. Nicht, um diese nunmehr zu Gewinnern zu machen, aber ausreichend, um den weitestgehend individuell unverschuldeten Absturz in das soziale Nichts abzufedern.

Gruss,
mp

--
Everything is ok

Hier der Weg der Lastenabwälzung

politicaleconomy @, Donnerstag, 29.01.2015, 21:26 vor 3663 Tagen @ Miesespeter 2842 Views

bearbeitet von unbekannt, Freitag, 30.01.2015, 11:53

Hi MP,


Alles war leicht vorherzusehen - nur nicht von unseren blind gemachten
Politikern. Profiteure: die kreditgebenden Banken, die sich nach dem
Megabailout von 2008 als unsinkable kings of the world fühlen konnten

und

auch hier darauf spekulieren: GR ist pleite und wird nie zurückzahlen,
wenn es zu Austerität gezwungen wird, sowieso: ABER DIE EU WIRD MIT

DEM

ESM AUCH DAS ÜBERNEHMEN, SODASS WIR EINMAL MEHR IN DIESEM

NULLSUMMENSPIEL

DIE EUROPÄISCHEN "STEUERZAHLER" FÜR UNSERE GEWINNE VERSCHULDEN

KÖNNEN.

Verstaendnisfrage:

Wenn - wie ja zb
Varoufakis
vorschlaegt
, die Schulden vom griechischen Staat ueber komplexe
Strukturen und byzantinische Argumentationen (um den Vorgang fuer die
einfache Medienpropaganda moeglichst unverdaulich zu machen) auf
supranationale Entitaeten (EZB, ESM, EIB, EIF) umgebucht werden, vermutlich
unter Zinsverzicht, wo siehst Du da den europaeischen Steuerzahler
verschuldet?

Ich sehe nur eine nationale Entitaet, die zahlungsunfaehig ist, und
mindestens eine supranationale Entitaet, die es nicht ist und nie werden
wird (EZB).

Den Steuerzahler, als Individuum, der ueber seine abgefuehrten Steuern das
Kapital der Banken auffrischt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen?

Der ESM übernimmt die faulen griech. Schulden von den Banken. Letztlich müssen sie abgeschrieben werden. Die Schulden der am ESM beteiligten Staaten erhöhen sich. Sie wurden also auf die Konten der am ESM beteiligten Staaten umgebucht.

Hohe Staatsschulden gelten der herrschenden Ideologie zufolge als schlecht und inflationstreibend. Sie werden daher als Legitimation für weitere "Reformen" genutzt werden, die den Staaten "Kosten sparen" sollen, d.h. Rentenkürzungen, Verlängerungen der Lebensarbeitszeit, Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen - bis diese Bombe explodiert (was schon 2017 in FR beginnen könnte).

So werden die Schulden dann quasi auf die Konten der Lohnabhängigen umgebucht, die damit zum Zahlmann für sämtliche Entgleisungen aller anderen gemacht werden. Die SozialleistungsEMPFÄNGER dagegen werden gebraucht, um den Druck auf die noch Beschäftigten dahingehend zu erhöhen, ihr Lohnniveau weiter in Richtung auf Sozialhilfeniveau nach unten "anpassen" zu lassen, mit dem Argument: "Wenn's Dir nicht paßt, stehen genügend andere auf der Matte, die machen es auch für weniger Kohle gern".

D.h. was immer auch passiert - Profiteure sind die risikofrei agierenden (weil "too big to fail/jail" "systemrelevanten") Banken, während sämtliche Risiken und Lasten auf die Konten der Lohnabhängigen umgebucht werden.

ENTEIGNUNG DER MASSEN ÜBER DEN IDEOLOGISCH VERDECKTEN UMWEG MITTELS
NEOLIBERALER IDEOLOGIE GLEICHGESCHALTETER POLITIKER UND

ZENTRALBANKEN.[/b]


Daher faellt es mir auch schwer, hier eine Enteignung der Massen zu
erkennen.

Es wird den Massen ja nichts genommen.

Natürlich nicht direkt - das ist ja Teil der Strategie. Sondern indirekt - ideologisch vermittelt (s.o.).

Vielmehr wird - finanztechnisch gesehen - den Sparern als Glaeubiger der
Banken, Versicherungen und sonstigen Finanzinstituten garantiert/gegeben.
Und denselben Sparern als Inhaber von Finanzforderungen und -titeln im
gleichen Zug genommen, indem die Geldbasis verbreitert wird (und dadurch -
zumindest theoretisch - inflationiert wird; in der Praxis, siehe Japan,
sind die Auswirkungen in dieser Richtung je nach Umfeld sehr beschraenkt).
Es ist ein Nullsummenspiel psychologischer Art, und sowohl Soll wie Haben
schlagen auf die Konten der Sparer.

Isoliert betrachtet, ja. Die oben beschriebene Ideologie und die daraus gefolgerten "Reformen" sind jedoch aus meiner Sicht kalkulierter Teil des Spiels der Banken.

Die Massen hingegen haben kaum etwas, was man enteignen koennte. Man kann
sie hoechstens verarmen, indem man ihr zukuenftiges Einkommen kuerzt.

Eben - und sie z.B. länger arbeiten läßt, ihre soziale Sicherheit verschlechtert (Kündigungsschutzgesetze lockert, Flächentarife abschafft, Arbeitsmärkte dereguliert), weil sich so ja angeblich "Wachstum schaffen" und "Staatsschulden abbauen" lassen (seit 30 Jahren gescheitert, aber bisher war noch jedesmal die Konsequenz, "then we haven't done enough of the same, let's do more of the same").

Der bisherige Höhepunkt dieser ideologievermittelten Strategie war die europäische Reaktion auf die Finanz- und Eurokrise, die die Umverteilung von unten nach oben nochmals massiv vorangetrieben hat: die Banken haben ab den 70er Jahren gelernt, auch von Krisen zu profitieren, indem sie die Politikerköpfe ideologisch beherrschen. Und natürlich auch, mithilfe von ZBen und Propaganda Krisen zu inszenieren.

Nur durch massiven Druck von unten - nicht nur in GR, sondern in Gesamteuropa - kann dieser ideologoievermittelte Umverteilungsmechanismus von unten nach oben durchbrochen werden. Daher ist die Strategie "der Herrschenden" ja auch: divide et impera.

Vielleicht etwas überzeichnet, aber im Großen und Ganzen scheint es ja so zu laufen.

Real sieht es schon komplizierter aus

Miesespeter @, Donnerstag, 29.01.2015, 22:19 vor 3663 Tagen @ politicaleconomy 2789 Views

bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 29.01.2015, 23:05

Der ESM übernimmt die faulen griech. Schulden von den Banken.

Nein. Varoufakis - immerhin jetzt griechischer Finanzminister - schlaegt vor, dass die EZB alle 'Maastricht-compliant' also bis 60% BIP - Schulden aller EU Staaten uebernimmt, und in gleicher Hoehe auf dem Kapitalmarkt Anleihen ausgibt, also liquiditaetstechnisch ein Nullsummenspiel

Argumentation: Maximale Bonitaet, da die EZB nie pleite gehen kann.

Siehe hier: http://yanisvaroufakis.eu/euro-crisis/modest-proposal/4-the-modest-proposal-four-crises...

Der ESM soll lediglich Banken in Schieflage rekapitalisieren, anstelle nationaler Regierungen, die ohnehin schon pleite sind:

http://yanisvaroufakis.eu/euro-crisis/modest-proposal/4-the-modest-proposal-four-crises...

In einer normalen Rekapitalisierung erwirbt der Kapitalgeber Gesellschaftsanteile. ich gehe mal davon aus, dass somit der ESM Mehrheitsanteile an den rekap. Banken erhaelt (wie zB auch in UK bei Bailouts durchaus praktiziert)

Letztlich müssen sie abgeschrieben werden.

Sehe ich nicht so. Sie koennen durchaus auch 100 Jahre von der EZB gehalten werden, und dann von Griechenland zurueckbezahlt werden.

Die Schulden der am ESM beteiligten
Staaten erhöhen sich. Sie wurden also auf die Konten der am ESM
beteiligten Staaten umgebucht.

Dadurch wird immer noch der Steuerzahler nicht belastet.

Davon abgesehen, erhaelt der ESM, wie oben beschrieben, im Gegenzug auch etwas.


Hohe Staatsschulden gelten der herrschenden Ideologie zufolge als schlecht
und inflationstreibend. Sie werden daher als Legitimation für weitere
"Reformen" genutzt werden, die den Staaten "Kosten sparen" sollen, d.h.
Rentenkürzungen, Verlängerungen der Lebensarbeitszeit, Kürzungen im
Sozial- und Gesundheitswesen - bis diese Bombe explodiert (was schon 2017
in FR beginnen könnte).

Schon moeglich. Oder die vorherrschende Ideologie aendert sich, so wie es jetzt in Griechenland beginnt, und demnaechst in Spanien weitergeht, und 2017 in Frankreich auch.

Hohe Staatsschulden sind schliesslich, da brauchen wir unter uns nicht diskutieren, und auch mit Mephistopheles nicht, nicht nur nicht per se schaedlich, sondern sogar u.U. nuetzlich. Dann naemlich, wenn aus welchen Gruenden auch immer die Privaten netto viel sparen wollen.

Und wenn sie viel sparen wollen, braucht es viel Staatsschulden.

Und solange sie nicht entsparen wollen, ist das absolut und voellig unproblematisch.


So werden die Schulden dann quasi auf die Konten der Lohnabhängigen
umgebucht, die damit zum Zahlmann für sämtliche Entgleisungen aller
anderen gemacht werden. Die SozialleistungsEMPFÄNGER dagegen werden
gebraucht, um den Druck auf die noch Beschäftigten dahingehend zu
erhöhen, ihr Lohnniveau weiter in Richtung auf Sozialhilfeniveau nach
unten "anpassen" zu lassen, mit dem Argument: "Wenn's Dir nicht paßt,
stehen genügend andere auf der Matte, die machen es auch für weniger
Kohle gern".

Nicht in Richtung Sozialhilfeniveau, sondern in Richtung chinesischer Lohn. Denn kein Arbeitsplatz kann aufrechterhalten werden, wo ich das Produkt der Arbeit auch aus Laendern beziehen kann, in denen nur 10% der in Europa gaengigen Loehne gezahlt werden.

Das Problem mit der Anpassung nach unten, es ist kein Finanzmarktproblem, und kein Problem der Banker.

Es ist ein Problem des Freihandels ohne jegliche Auflagen, welcher natuerlich ebenfalls ein Teil der neoliberalen Ideologie ist.


D.h. was immer auch passiert - Profiteure sind die risikofrei agierenden
(weil "too big to fail/jail" "systemrelevanten") Banken, während
sämtliche Risiken und Lasten auf die Konten der Lohnabhängigen umgebucht
werden.

Alle Probleme dieser Welt allein auf die finanzpolitische Ebene und die Bankenpolitik zu schieben ist m.E. kontraproduktiv und verschleiert einen grossen Teil der Probleme des Neoliberalsimus.

M.E. vermischt Du hier zwei differenzierbare Probleme: deflationaeren, finanzpolitischen Selbstmord aus Angst vor dem Tode (Schulden sind schlecht, wir muessen oeffentlich und privat mehr sparen, sparen, sparen; ausreichend von Bill Hicks laecherlich gemacht) auf der einen Seite, und das Problem des globalisierten Freihandels, eine weitere riesige deflationaere Kraft, die den Lohnabhängigen in der 'ersten Welt' in Konkurrenz mit den Aermsten der Armen und somit Bescheidensten der Bescheidenen treten laesst.

Leider kann nicht jeder Arbeiter auf Oekologe oder Integrationsbeauftragter umschulen.

Getreu der neoliberalen Theorie laesst man das Problem dennoch unbeachtet und ungeloest, der Markt wird schon dafuer sorgen, dass die so freigelegten Resourcen sich neu allokieren; und baut damit ein immer groesser werdendes Revoltenpotential aus Globalisierungsverlierern auf, welche dann auch diejenigen sind, die Syriza, Podemos und Front National an die Macht bringen und zu guter Letzt auch den Neoliberalismus zu Fall bringen werden. Nur ob dabei was vernuenftiges Neues erwaechst, bleibt zweifelhaft. Beim letzten Mal erwuchsen Faschismus und Sozialismus, insgesamt auch keine attraktiven Alternativen.

Es wird den Massen ja nichts genommen.


Natürlich nicht direkt - das ist ja Teil der Strategie. Sondern indirekt
- ideologisch vermittelt (s.o.).

Man muss gar keine - nicht sichtbare und auch nicht korrekt herleitbare - indirekte, ideologische Ausbeutung der Massen konstruieren. Es gibt eine sichtbare, direkte und leicht herleitbare: die Globalisierung.

Nur hat die eben auch ein paar Vorteile, daher wird sie auch ungern in Frage gestellt. Insbesondere von denjenigen, die dazu in der Lage waeren, denn die profitieren allesamt von der Globalisierung und der Schwemme von billigen Guetern aller Art, die auf diese Weise zugaenglich und bezahlbar werden.

Die Massen hingegen haben kaum etwas, was man enteignen koennte. Man

kann

sie hoechstens verarmen, indem man ihr zukuenftiges Einkommen kuerzt.


Eben - und sie z.B. länger arbeiten läßt, ihre soziale Sicherheit
verschlechtert (Kündigungsschutzgesetze lockert, Flächentarife abschafft,
Arbeitsmärkte dereguliert), weil sich so ja angeblich "Wachstum schaffen"
und "Staatsschulden abbauen" lassen (seit 30 Jahren gescheitert, aber
bisher war noch jedesmal die Konsequenz, "then we haven't done enough of
the same, let's do more of the same").

Ja, alles um irgendwie mit China, Indien usw - wo die wahren Reservearmeen des Kapitalismus heute sitzen - konkurrenzfaehig zu werden, weil es ansonsten innerhalb des neoliberalen Systems nicht darstellbar ist, die Leute wieder in bezahlte Arbeit zu kriegen.
(Genausowenig wie die zuwandernden, bildungsfernen Armutsfluechtlinge)


Nur durch massiven Druck von unten - nicht nur in GR, sondern in
Gesamteuropa - kann dieser ideologoievermittelte
Umverteilungsmechanismus
von unten nach oben
durchbrochen werden.

Dafuer braeuchte es m.M.n. eine Abkehr vom Freihandel, wodurch die Untersten wieder in Arbeit gebracht werden koennten und auch Loehne nach anderen Kriterien als denen des Weltkonkurrenzmarktes gebildet werden koennten.

Eine Abkehr vom Freihandel bedeutete selbstverstaendlich dann auch ein Sinken des Lebensstandards fuer alle, die nicht ganz unten sind, da sich die Gueter natuerlich erheblich mehr verteuerten, als der durchschnittliche Anstieg der Loehne wettmachen wuerde. Auf realwirtschaftlicher Ebene einfach durch die Verknappung des Angebots bei gleichzeitigem Anstieg der Nachfrage (aus hoeheren Loehnen) zu erklaeren.

Ob das gesamtwirtschaftlich sinnvoll waere, bezweifle ich zwar, schliesse es aber nicht aus. Ein Wirtschaftsraum wie Europa ist gross genug, um im wesentlichen alle Gueter, die verbraucht werden, auch selbst herzustellen. Auch die Abschottung eines solchen grossen Marktes bzw die Bevorzugung heimischer Produzenten ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Niedergang. China betreibt das sehr erfolgreich.

Wenn man aber an der Globalisierung festhalten will, und damit automatisch weite Teile der heimischen Bevoelkerung jeglicher wirtschaftlicher Chancen beraubt, so wird man sich schnellstens ueberlegen muessen, wie man deren Verluste irgendwie wenigstens teilweise kompensieren kann.

Gelingt das nicht, werden eben diese Verlierer jene Globalisierung, ebenso wie die europaeische Integration, welche sie erst zu Verlierern gemacht hat, in Kuerze beenden.

Gruss,
mp

--
Everything is ok

@Miesepeter: Du denkst nicht zu Ende und hast die rezenten Tatsachen nicht im Blick.

sprit @, Freitag, 30.01.2015, 11:08 vor 3663 Tagen @ Miesespeter 2285 Views

Der ESM soll lediglich Banken in Schieflage rekapitalisieren, anstelle
nationaler Regierungen, die ohnehin schon pleite sind:

In einer normalen Rekapitalisierung erwirbt der Kapitalgeber
Gesellschaftsanteile. ich gehe mal davon aus, dass somit der ESM
Mehrheitsanteile an den rekap. Banken erhaelt (wie zB auch in UK bei
Bailouts durchaus praktiziert)

... und später werden diese Anteile „verschleudert“ und zwar wieder an die Finanzmafia, (sagt Dir u.a. der Name Commerzbank etwas). Dann kann das Spiel neu beginnen!

Nebenbei, warum sollen "Externe" die Banken retten? Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zwischen einer Bank und einer Unternehmung die Staubsauger produziert!

Diese sogenannte „too big to fail“-Manie wurde nur von der Finanzindustrie (und ihren Marionetten) auf den Tisch gelegt, um anschließend wieder/weiterhin big profits / Boni einzukassieren.
Schau Dir doch die Realität an. Die einstigen „too big to fail“-Banken sind nur noch größer geworden!

--
Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt!

Varoufakis' Taschenspieler-Tricks unter die Lupe genommen ... "there is no free lunch" ...

CrisisMaven ⌂ @, Freitag, 30.01.2015, 11:25 vor 3663 Tagen @ Miesespeter 2739 Views

Varoufakis - immerhin jetzt griechischer Finanzminister - schlaegt vor, dass die EZB alle 'Maastricht-compliant' also bis 60% BIP - Schulden aller EU Staaten uebernimmt, und in gleicher Hoehe auf dem Kapitalmarkt Anleihen ausgibt, also liquiditaetstechnisch ein Nullsummenspiel
Argumentation: Maximale Bonitaet, da die EZB nie pleite gehen kann.

Ja, so kann man argumentieren.

Es ist aber falsch: die Staatschulden muessten von der EZB natuerlich zu dem "Preis" angekauft werden, den sie haetten, wenn die Staaten sie auf dem freien Markt plazieren wollten.

Und sie muesste sie jederzeit nach dem Niederstwertprinzip bilanzieren. D.h., sie wuerde, wenn die Vergangenheit, deretwegen das ja gerade so gemacht werden soll, eine Leitlinie fuer die Zukunft waere, diese Anleihen/Schulden (spielt ja keine Rolle, ob sie verbrieft sind!) je nach Staat z.T. voellig in ihrer Bilanz abschreiben.

Letztlich müssen sie abgeschrieben werden.

Sehe ich nicht so. Sie koennen durchaus auch 100 Jahre von der EZB gehalten werden, und dann von Griechenland zurueckbezahlt werden.

Theoretisch ja, So, wie der Alkoholiker, der dem Wirt sagt "Pass' auf, schreib' ruhig weiter an - ich zahle ja dann alles zurueck, wenn ich wieder trocken bin!"

Hohe Staatsschulden sind schliesslich, da brauchen wir unter uns nicht diskutieren, und auch mit Mephistopheles nicht, nicht nur nicht per se schaedlich, sondern sogar u.U. nuetzlich. Dann naemlich, wenn aus welchen Gruenden auch immer die Privaten netto viel sparen wollen.

Das ist ein zusaetzliches Thema, das ich jetzt nicht weiterfuehren will. Nur "for the record": ich sehe das nicht so, und zwar aus u.a. den o.g. Gruenden, aber noch anderen.

--
Mit 40 DM pro Kopf begann die Marktwirtschaft, mit 400.000 Euro Schulden pro Kopf wird sie enden.
Atomkraft | in English

Ich glaube, daß Du da ganz wesentliche Aspekte übersiehst

politicaleconomy @, Samstag, 31.01.2015, 13:42 vor 3662 Tagen @ Miesespeter 2395 Views

bearbeitet von unbekannt, Samstag, 31.01.2015, 14:20

Hallo mp,

schönen Dank für die gepflegte Diskussion - ist man ja hier leider nicht mehr gewöhnt.

Also - schön, daß Du mal einen alternativen Standpunkt einbringst. Ich teile ihn aber nur teilweise.

Der ESM übernimmt die faulen griech. Schulden von den Banken.


Nein. Varoufakis - immerhin jetzt griechischer Finanzminister - schlaegt
vor, dass die EZB alle 'Maastricht-compliant' also bis 60% BIP - Schulden
aller EU Staaten uebernimmt, und in gleicher Hoehe auf dem Kapitalmarkt
Anleihen ausgibt, also liquiditaetstechnisch ein Nullsummenspiel

Argumentation: Maximale Bonitaet, da die EZB nie pleite gehen kann.

Das macht keinen Unterschied, denn das Problem der Leistungsbilanzungleichgewichte wird so aber nicht gelöst, es wird lediglich per Prolongation Zeit gewonnen.

Letztlich müssen sie abgeschrieben werden.


Sehe ich nicht so. Sie koennen durchaus auch 100 Jahre von der EZB
gehalten werden, und dann von Griechenland zurueckbezahlt werden.

Theoretisch ja. Möglich wäre dies aber nur, wenn die Überschussländer bereit wären, gegenüber den Griechen so lange Defizite zu machen, bis die Leistungsbilanzungleichgewichte beseitigt sind. Das würde - da ja in einer Währungsunion das Wechselkursventil nicht zur Verfügung steht - neben den Lohnsenkungen in GR (auf ein gerade noch tragbares Niveau) Lohnerhöhungen in D voraussetzen. In diesem Fall würden die Griechen durch ihre zeitweiligen Überschüsse ihre Schulden praktisch in Gütern zurückzahlen.

Es sollte klar sein, daß dies nur durch eine expansive Gesamtstrategie der gesamten Eurozone möglich ist, für die ich in Brüssel und v.a. in D mit seiner makroökonomisch debilen "schwäbische Hausfrau"-Mentalität keinerlei Anzeichen sehe.

Werden die Ungleichgewichte nicht durch Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit in Überschuss- UND Defizitländern abgebaut, bleiben die Schulden unbezahlbar, und führen zu permanentem Druck der Überschussländer auf die Schuldnerländer, d.h. zu untragbaren Beziehungen, die letztlich in der Weigerung der Schuldnerländern kulminieren müssen, ihre Schulden zu bedienen. Dann müssen diese abgeschrieben werden, und die Überschussländern haben ihre Überschüsse damit quasi verschenkt, was auch sie nicht begeistern kann.

Das bedeutet einerseits Deflation, andererseits die permanente Verschärfung der internationalen Spannungen. Das hatten wir doch alles in den 20ern und 30ern mit dem Goldstandard 1:1 schon mal. Diejenigen Länder, die ihn als erste verlassen haben, sind damals am besten durch die Krise gekommen.

Hohe Staatsschulden gelten der herrschenden Ideologie zufolge als

schlecht

und inflationstreibend. Sie werden daher als Legitimation für weitere
"Reformen" genutzt werden, die den Staaten "Kosten sparen" sollen, d.h.
Rentenkürzungen, Verlängerungen der Lebensarbeitszeit, Kürzungen im
Sozial- und Gesundheitswesen - bis diese Bombe explodiert (was schon

2017

in FR beginnen könnte).


Schon moeglich. Oder die vorherrschende Ideologie aendert sich, so wie es
jetzt in Griechenland beginnt, und demnaechst in Spanien weitergeht, und
2017 in Frankreich auch.

Entscheidend ist aber, ob sich das Denken in Brüssel und v.a. in D im Hinblick auf die Notwendigkeit einer expansiven Gesamtstrategie als Voraussetzung des Abbaus der Leistungsbilanzungleichgewichte ändert - und dafür sehe ich bisher keine Anzeichen, eher eine Verhärtung der Fronten (s.o.).

Hohe Staatsschulden sind schliesslich, da brauchen wir unter uns nicht
diskutieren, und auch mit
Mephistopheles
nicht
, nicht nur nicht per se schaedlich, sondern sogar u.U.
nuetzlich. Dann naemlich, wenn aus welchen Gruenden auch immer die Privaten
netto viel sparen wollen.

Und wenn sie viel sparen wollen, braucht es viel Staatsschulden.

Und solange sie nicht entsparen wollen, ist das absolut und voellig
unproblematisch.

Isoliert betrachtet, ja. Wir reden hier aber ja über Leistungsbilanzungleichgewichte, die viel wichtiger sind als Staatsdefizite. Siehe z.B. Temin/Vines: The Leaderless Economy, oder auch Flaßbecks Bücher. Hatte kürzlich auch hier etwas dazu geschrieben.

So werden die Schulden dann quasi auf die Konten der Lohnabhängigen
umgebucht, die damit zum Zahlmann für sämtliche Entgleisungen aller
anderen gemacht werden. Die SozialleistungsEMPFÄNGER dagegen werden
gebraucht, um den Druck auf die noch Beschäftigten dahingehend zu
erhöhen, ihr Lohnniveau weiter in Richtung auf Sozialhilfeniveau nach
unten "anpassen" zu lassen, mit dem Argument: "Wenn's Dir nicht paßt,
stehen genügend andere auf der Matte, die machen es auch für weniger
Kohle gern".


Nicht in Richtung Sozialhilfeniveau, sondern in Richtung chinesischer
Lohn. Denn kein Arbeitsplatz kann aufrechterhalten werden, wo ich das
Produkt der Arbeit auch aus Laendern beziehen kann, in denen nur 10% der in
Europa gaengigen Loehne gezahlt werden.

Welche Produkte meinst Du? Du hast insofern Recht, als auch die Chinesen permanente Leistungsbilanzüberschüsse fahren, allerdings nicht gegenüber Europa, dessen Leistungsbilanz insgesamt recht ausgeglichen ist. Außerdem gibt es hier zum Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeiten ja auch das Wechselkursventil, das eben in der Eurozone fehlt.

DARÜBER müssen wir reden.

China hat Leistungsbilanzüberschüsse v.a. ggü. den USA, die deshalb nicht durch das Wechselkursventil ausgeglichen werden können, weil der Dollar (noch) als primäre Weltreservewährung fungiert (worauf das Leistungsbilanzdefizit der USA basiert, das nur solange für diese problemlos bleibt, wie sie selbst Weltmacht und der Dollar Weltgeld bleibt - daher das Interesse der USA, den Euro zu unterminieren, der ja - neben dem Renminbi - Kandidat für eine alternative Weltreservewährung ist).

Das Problem mit der Anpassung nach unten, es ist kein Finanzmarktproblem,
und kein Problem der Banker.

Es ist ein Problem des Freihandels ohne jegliche Auflagen, welcher
natuerlich ebenfalls ein Teil der neoliberalen Ideologie ist.

Nun, da darfst Du aber den Unterschied zwischen frei floatenden und fixen Wechselkursen nicht vergessen: ersteres zwischen Eurozone und China, letzteres innerhalb der Eurozone und in den 20er/30ern im Goldstandard. Ich fürchte, da erliegst Du noch der herrschenden Propaganda.

D.h. was immer auch passiert - Profiteure sind die risikofrei

agierenden

(weil "too big to fail/jail" "systemrelevanten") Banken, während
sämtliche Risiken und Lasten auf die Konten der Lohnabhängigen

umgebucht

werden.


Alle Probleme dieser Welt allein auf die finanzpolitische Ebene und die
Bankenpolitik zu schieben ist m.E. kontraproduktiv und verschleiert einen
grossen Teil der Probleme des Neoliberalsimus.

Keineswegs alle Probleme dieser Welt. Aber daß US-Großbanken in Zusammenarbeit mit Teilen der US-Regierung und des Pentagon hier eine koordinierte Weltmachtstrategie ("Full Spectrum Dominance") fahren, die eben auch auf Mittel des Finanzkriegs UND des Propagandakriegs (inclusive neoliberaler Ideologie) zurückgreift, wird doch immer offenbarer.

Es geht auch nicht um "Neoliberalismus" per se. Diesen sehe ich mittlerweile als Teil einer umfassenden imperialistischen Agenda der spätestens seit Clinton nicht mehr multi-, sondern unilateral agierenden USA. Lesetip (erhellend und nüchtern): Helmut Schmidt, die Mächte der Zukunft. Zu Details und zur Geschichte: F. William Engdahl.

M.E. vermischt Du hier zwei differenzierbare Probleme: deflationaeren,
finanzpolitischen Selbstmord aus Angst vor dem Tode (Schulden sind
schlecht, wir muessen oeffentlich und privat mehr sparen, sparen, sparen;
ausreichend von
Bill Hicks
laecherlich gemacht
) auf der einen Seite, und das Problem des
globalisierten Freihandels, eine weitere riesige deflationaere Kraft, die
den Lohnabhängigen in der 'ersten Welt' in Konkurrenz mit den Aermsten der
Armen und somit Bescheidensten der Bescheidenen treten laesst.

Siehe oben - ich denke eher, daß Du hier die Probleme der Eurozone (Währungsunion) und internationalen Handels auf der Basis freier Wechselkurse vermischst. Müßten wir aber in mehr Detail diskutieren, denke ich.

Leider kann nicht jeder Arbeiter auf Oekologe oder
Integrationsbeauftragter umschulen.

Getreu der neoliberalen Theorie laesst man das Problem dennoch unbeachtet
und ungeloest, der Markt wird schon dafuer sorgen, dass die so freigelegten
Resourcen sich neu allokieren; und baut damit ein immer groesser werdendes
Revoltenpotential aus Globalisierungsverlierern auf, welche dann auch
diejenigen sind, die Syriza, Podemos und Front National an die Macht
bringen und zu guter Letzt auch den Neoliberalismus zu Fall bringen werden.

Das müßte man m.E. etwas differenzierter anschauen, da die Problemlagen in unterschiedlichen Ländern da unterschiedlich gelagert sind.

Nur ob dabei was vernuenftiges Neues erwaechst, bleibt zweifelhaft. Beim
letzten Mal erwuchsen Faschismus und Sozialismus, insgesamt auch keine
attraktiven Alternativen.

Nun, ich sehe zwar, daß in den Gegenbewegungen zwar die verdrängten Probleme klarer benannt werden, tragfähige Lösungskonzepte sehe ich bisher leider auch nirgends. Habe mich allerdings noch nicht konkret mit dem Programm z.B. der FN beschäftigt und daher außer ein paar Interviews mit LePen bisher nur eine eher dünne Informationsbasis.

Es wird den Massen ja nichts genommen.


Natürlich nicht direkt - das ist ja Teil der Strategie. Sondern

indirekt

- ideologisch vermittelt (s.o.).


Man muss gar keine - nicht sichtbare und auch nicht korrekt herleitbare -
indirekte, ideologische Ausbeutung der Massen konstruieren. Es gibt eine
sichtbare, direkte und leicht herleitbare: die Globalisierung.

Das ist, mit Verlaub, Ideologie pur. "Die Globalisierung" ist kein Subjekt, und nicht per se gegen die Interessen der Massen. Das gegenwärtige, von den USA betriebene Globalisierungsmodell dagegen schon. Auch das wäre eine eigene Diskussion, aber auch da denke ich, bleibst Du der herrschenden Ideologie verhaftet. Müßten wir aber im Detail anschauen, z.B. anhand verschiedener Perspektiven auf die angebliche "Chinesische Gefahr".

Nur hat die eben auch ein paar Vorteile, daher wird sie auch ungern in
Frage gestellt. Insbesondere von denjenigen, die dazu in der Lage waeren,
denn die profitieren allesamt von der Globalisierung und der Schwemme von
billigen Guetern aller Art, die auf diese Weise zugaenglich und bezahlbar
werden.

Die Massen hingegen haben kaum etwas, was man enteignen koennte. Man

kann

sie hoechstens verarmen, indem man ihr zukuenftiges Einkommen kuerzt.


Eben - und sie z.B. länger arbeiten läßt, ihre soziale Sicherheit
verschlechtert (Kündigungsschutzgesetze lockert, Flächentarife

abschafft,

Arbeitsmärkte dereguliert), weil sich so ja angeblich "Wachstum

schaffen"

und "Staatsschulden abbauen" lassen (seit 30 Jahren gescheitert, aber
bisher war noch jedesmal die Konsequenz, "then we haven't done enough

of

the same, let's do more of the same").


Ja, alles um irgendwie mit China, Indien usw - wo die wahren Reservearmeen
des Kapitalismus heute sitzen - konkurrenzfaehig zu werden, weil es
ansonsten innerhalb des neoliberalen Systems nicht darstellbar ist, die
Leute wieder in bezahlte Arbeit zu kriegen.

Wie gesagt, da würde mich mir erst noch eine detailliertere Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven vorbehalten wollen, die Wechselkurse, sinnvolle Wi-politische Ziele wie ausgeglichene Leistungsbilanzen, etc. einbezieht.

(Genausowenig wie die zuwandernden, bildungsfernen Armutsfluechtlinge)


Nur durch massiven Druck von unten - nicht nur in GR, sondern in
Gesamteuropa - kann dieser ideologoievermittelte

Umverteilungsmechanismus

von unten nach oben[/link] durchbrochen werden.


Dafuer braeuchte es m.M.n. eine Abkehr vom Freihandel, wodurch die
Untersten wieder in Arbeit gebracht werden koennten und auch Loehne nach
anderen Kriterien als denen des Weltkonkurrenzmarktes gebildet werden
koennten.

Wiederum kann man das nicht unabhängig vom jeweiligen Wechselkursregime betrachten, das wir erst im Detail diskutieren müßten. Mir scheint, daß Du hier das Modell des Wettbewerbs zwischen Unternehmen auf einem begrenzten Markt auf das anders gelagerte Problem der Beziehungen zwischen gesamten Volkswirtschaften überträgst.

Eine Abkehr vom Freihandel bedeutete selbstverstaendlich dann auch ein
Sinken des Lebensstandards fuer alle, die nicht ganz unten sind, da sich
die Gueter natuerlich erheblich mehr verteuerten, als der durchschnittliche
Anstieg der Loehne wettmachen wuerde. Auf realwirtschaftlicher Ebene
einfach durch die Verknappung des Angebots bei gleichzeitigem Anstieg der
Nachfrage (aus hoeheren Loehnen) zu erklaeren.

Protektionismus und Handelskriege waren ja die Lösung im Rahmen des Goldstandards der 20er und 30er, die direkt in die Deflation führten (was in der Eurozone heute wegen der fixen Wechselkurse ähnlich wäre).

Ob das gesamtwirtschaftlich sinnvoll waere, bezweifle ich zwar, schliesse
es aber nicht aus. Ein Wirtschaftsraum wie Europa ist gross genug, um im
wesentlichen alle Gueter, die verbraucht werden, auch selbst herzustellen.
Auch die Abschottung eines solchen grossen Marktes bzw die Bevorzugung
heimischer Produzenten ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit
wirtschaftlichem Niedergang. China betreibt das sehr erfolgreich.

Protektionismus ist eine sinnvolle Strategie nachholender Entwicklung, die z.B. den Deutschen im 19. Jhdt. zu ihrem Erfolg verholfen hat (Friedrich List), die aber heute im vom "Washington Consensus" propagierten und durchgesetzten Globalisierungsmodell zu Lasten der "Entwicklungsländer" unterbunden wird, die so über den IWF in die Schuldenfalle getrieben und dann von westlichen Unternehmen ausgebeutet werden.

Die Chinesen machen das völlig richtig. Für wen diese Strategie machbar ist, und für wen nicht, bräuchte eine detailliertere Diskussion.

Wenn man aber an der Globalisierung festhalten will, und damit automatisch
weite Teile der heimischen Bevoelkerung jeglicher wirtschaftlicher Chancen
beraubt,

Das das so sein muß, halte ich mittlerweile für einen Mythos, jedenfalls einen integralen Teil der herrschenden Propaganda, der zu hinterfragen ist. Es gibt auch andere Modelle der Gestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, der natürlich nicht im Interesse der Hegemonialmacht liegt, also von einem vereinigten "Rest" gegen diese durchgesetzt werden müßte. Da hapert es noch, doch die Amerikaner haben sich schon sehr viele Sympathien verspielt.

Worauf es also ankommt, ist, daß der "Rest" eine gemeinsame kohärente Alternativstrategie der Globalisierung entwirft (was einschließt, der neoliberalen Ideologie, die einen Teil der US-Hegemonialstrategie darstellt, den Garaus zu machen)

Das Modell des "Wettbewerbs der Nationen", das gegenwärtig die internationalen Beziehungen bestimmt, ist ja auch rein historisch nicht alternativlos. Die Ordnung von Bretton Woods war, wenn auch schon im US-Machtinteresse zurückgebogen und funktionalisiert, von den Grundgedanken her ein völlig anderes Globalisierungsmodell, auf das man zurückgreifen könnte (Stichwort: Kooperationsstaat vs. Wettbewerbsstaat, ich es hatte hier schon angesprochen und auf einen kurzen klärenden Text dazu verwiesen, den ich hierzu gern diskutieren würde - damals kamen dazu keine Rückmeldungen).

Der ursprüngliche Plan von Keynes sah beispielsweise eine internationale Verrechnungswährung (bancor)und eine internationale "clearing union" vor, die auf die auf ausgeglichene Leistungsbilanzen schaute und SOWOHL Defizit- als auch Überschußsünder sanktionieren sollte - etwas, was man in der Eurozone leider vergeblich sucht.

Es hat allerdings auch empfindliche Schwächen in der theoretischen Fundierung (staatliche und rechtliche Institutionenbasis!), die bei einer versuchten Neuauflage (wie z.B. von Putin in seiner Valdai-Rede vorgeschlagen, oder schon 2009 von den Chinesen ins Gespräch gebracht) behoben werden müßten.

DARÜBER müssen wir reden.

Gruß
PE

In seinem Buch "The Global Minotaur" trifft Varoufakis voll ins Schwarze (surplus recyling mechanism)

politicaleconomy @, Sonntag, 01.02.2015, 01:18 vor 3661 Tagen @ politicaleconomy 2614 Views

bearbeitet von unbekannt, Freitag, 04.12.2015, 16:12

Habe zu Varoufakis jetzt etwas recherchiert, er denkt konsequent in die von mir angedeutete Richtung:

Interview zu seinem Buch mit Rob Johnson (INET):
http://ineteconomics.org/blog/inet/directors-chair-yanis-varoufakis-global-minotaur

Artikel zum Buch:
http://uadphil.econ.uoa.gr/UA/files/121759885..pdf

Buch:
http://www.amazon.de/dp/3888977541/?tag=dasgelbeforum-21


Hochspannend, daß er nun Finanzminister in GR ist. Ich gehe davon aus, daß ähnliche Leute wie er, Schulmeister und Flaßbeck nuna auch wieder anderswo auftauchen werden und mehr und mehr Gehör finden werden, je mehr das gegenwärtige Krisenmanagement versagt.

Ergänzung

politicaleconomy @, Samstag, 31.01.2015, 23:11 vor 3661 Tagen @ Miesespeter 2146 Views

Zum Hintergrund meiner Argumentation ein Vortrag (mit anschließender Diskussion, in der entscheidende von Dir und mir angesprochene Fragen zur Sprache kommen, wie beggar thy neighbor in der Eurozone, Lohnwettbewerb mit China):

Wege aus der Eurokrise (Flaßbeck):
https://www.youtube.com/watch?v=mfKuosvO6Ac

Diskussion dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=soEjCDnhyHc

Wenn DIESE Argumente hier mal ernsthaft diskutiert werden könnten, wäre das schon mal ganz schön.

Und der "Witz" mit der Schuldenbremse ist

Philip Marlowe @, Location: Europe's Paymaster, Donnerstag, 29.01.2015, 22:44 vor 3663 Tagen @ politicaleconomy 2800 Views

Eben - und sie z.B. länger arbeiten läßt, ihre soziale Sicherheit
verschlechtert (Kündigungsschutzgesetze lockert, Flächentarife abschafft,
Arbeitsmärkte dereguliert), weil sich so ja angeblich "Wachstum schaffen"
und "Staatsschulden abbauen" lassen (seit 30 Jahren gescheitert, aber
bisher war noch jedesmal die Konsequenz, "then we haven't done enough of
the same, let's do more of the same").

Die Schuldenbremse betrifft nur die LAUFENDEN Staatsausgaben, d.h. wenn der ESM kurzerhand x-Hundert Milliarden Euro Nachuss fordert, fällt das selbstverständlich NICHT unter die Schuldenbremse (ist ja für die "gute Sache" = Eurorettung).

Selbstverständlich werde diese neuen Schulden aber trotzdem real sein und für eine weitere Runde neoliberale Sozialreformen genutzt werden.

So verteilt man von unten nach oben. Alternativlos sozusagen.

Gruß,
Phil.M.

Werbung

Wandere aus, solange es noch geht.