Hallo DT,
alle legen immer soviel Wert auf Genauigkeit, und das ist gut so.
Der sogenannte Agitator, der zu Beginn eines jeden Schul-, Studien- oder Lehrjahres gewählt wurde, war nicht der Chef. Der jeweilige "Chef" hieß Vorsitzender oder Sekretär hieß. Und der hatte einen gewählten Stellvertreter, der in aller Regel nicht der Agitator war.
Frau Merkel war auch nicht großen Höhen der FDJ auf Bezirks- oder Staatsebene, wie sich das oft liest.
Kannte viele Mitläufer, die sogar Sekretäre waren. Oft fanden sich nicht genug, die das wollten, denn es galt nicht als attraktiv (zusätzliche Arbeit - und beliebter machte es nicht). Agitator war, wie in den Klassen der Kleinen der Wandzeitungsredakteur, war meist etwas, das nicht Fisch, nicht Fleisch war, aber besetzt werden musste.
Frag doch mal Ossis, wie sehr die Agitatoren auf sie Einfluss hatten? Die hielten meist einmal im Jahr Pseudoreferat auf der Pseudowahlveranstaltung, und das war es dann zumeist. Er musste dann, wie die anderen Agitatoren und Funktionäre im Wesentlichen an Anleitungen teilnehmen, belästigte aber seine Leute nicht, die das auch nicht geschätzt hätten. Kenne keinen Agitator, der das heraushängen ließ. Die Funktionen wurden zumeist nur besetzt - und alle hielten Ruhe (das war schlicht Vermeidung von Konflikten).
http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Deutsche_Jugend#Organisationsstruktur
Bei der AdW wird es wohl eine Einrichtung der Kreisebene gewesen sein (wegen der Größe und dem Charakter der Einrichtung - das war auch auf Parteiebene so). Das wurde nicht jeder (Frau Merkel war also nicht viel angeeckt - im Gegensatz zu anderen
, und soetwas wurde gern gebraucht - und Funktionen wurden auch ausgeübt, weil sich das in der Karie gut machte, klar - wie überall).
Aber die entscheidenden Funktionäre waren Hauptamtliche. Das war sie wohl nicht. Und als Agitproplerin auch nicht die Chefin, denn es gab auf jeder Ebene noch einen Chef und dessen Stellvertrter.
http://de.wikipedia.org/wiki/Agitation#Agitation_im_Staatssozialismus
Es ist zudem aufzupassen: Namen von IM-Vorläufen sind keine IM-Vorgänge.
Es ist viel vernichtet worden, besonders bei den Wichtigen und Großen und jenen, die man wie die IMs an den Spitzen aller wichtigen Opositionsparteien der DDR installiert hatte (der enge Kollege von Merkel Schnur beim DA = Demokratischer Aufbruch, Ibrahim Böhme SDP bzw. dann SPD usw.). Also kann alles Mögliche sein.
Siehe: Vgl. Helmut Müller-Enbergs: IM-Kandidat. IM-Vorlauf. In: Roger Engelmann, Bernd Florath, Walter Süß u. a. (Hrsg.): Das MfS-Lexikon – Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR, Ch. Links Verlag, Berlin 2011, S. 156f.
Mehr dazu in: http://de.wikipedia.org/wiki/Inoffizieller_Mitarbeiter
Will keinesfalls Frau Merkel an sich verteidigen, sondern mitteilen, wie das einzuordnen ist.
Ehemalige DDRler sehen das natürlich ohnehin anders, weil sie mehr Kontext haben.
Sie wissen genau, dass da vieles aufgebauscht und instrumentalisiert wurde.
Westler behaupteten dann oft, dass man es bei den Nazis nicht gründlich genau getan hätte und haben es nun "besser" machen wollen. Fadenscheinige Argumentation (wieviele Bundespräsidenten, Bundesrichter, Bundeskanzler, Bundestagsabgeordnete waren ordentlich mit dem NS verbandelt, über Mitgliedschaften und Funktionen? Massen!). Auch das kotzt sicher viele z. B. Dresdener immens an*. Viele DDRler fassen sich nur noch an den Kopf, denn man merkt die eigentliche Absicht und ist verstimmt.
Man sollte die Kirche im Dorf lassen und das angreifen, was es wert ist, angegriffen zu werden.
Viele freundliche Grüße
azur
@Dieter: ein ehrlicher Wissenschaftler und Bürgerrechtler Stefan Wolle verfasste gleich nach der Wende das sehr gute Werk: Die heile Welt der Diktatur. Das teile ich nicht alles durchweg, aber empfehle das Buch sehr gern, denn es ist sehr gut aufgebaut, genau und detailreich.
* es gab ja auch die ansicht, die Ossis würden kein Besteck kennen, keine Tapeten und könnten weder arbeiten noch Autofahren. Tatsächlich wurde diskutiert, ob die alle noch mal die Fahrerlaubnis machen sollten (die Lobby der Fahrlehrer hatte damit sicher rein gar nichts zu tun
).
Massenhaft Produkte wurden in die BRD exportiert... Viele Kunstwerke wurden weltweit berühmt (auch wenn der Dummer Vorwurf kam, darunter sei Auftragskunst - dabei ist es schon immer auch normal gewesen, Künstler zu beauftragen: Siehe allein die Portraits für die Kanzlerportraits - oder die Altarmalereine usw.). Die Ossis warn zuallererst Deutsche, wie Dir auch jeder Beobchter aus dem Ausland so sagte: Euch eint mehr, als Euch unterscheidet, sagten diese häufig. Klar, Herkunft Sprache, Geschichte, Moral, Ideengeschichte, gemeinsame Sitten und Bräuche verbinden eben. Sie sind nie unerheblich.
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