Anfrage an KenFM: Interview Heinsohn zu Eigentumsökonomie/Debitismus & Youth Bulge
Hallo,
auch wenn KenFM umstritten sein mag, halte ich es für angebracht, die Aufklärung voranzutreiben, v. a. um Tauschidiotien aufzudecken und das Thema Youth Bulge in den Fokus zu rücken. Ggf. schadet das dem Ansehen Heinsohns, aber er ist ja ohnehin bereits bei gewissen Leuten als marktfundamentalistischer, neoliberaler "Rechter" verschriehen.
Anbei meine Mail.
Gruß!â„¢
Datum: 18. Januar 2015 um 21:49
Betreff: Sendung/Interview zu: Geldsystem (Eigentumsökonomie, Debitismus), Youth Bulge, Qualitäts- statt Migrationsproblem, etc.
An: post@kenfm.de
Hallo Herr Jebsen,
zunächst möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit einfach mal Danke sagen und Ihnen Mut zu sprechen, weiter zu machen, auch wenn Ihnen ein heftiger Wind entgegen schlägt und Ihnen Ihr Privatleben in der Öffentlichkeit mittlerweile wohl doch recht schwer fallen dürfte. Ich finde es außerordentlich bemerkenswert, dass Sie ihre journalistische Aufgabe - zumindest soweit ich das von außen beurteilen kann - ernst nehmen und demzufolge auch Interviews führen, in denen der Gegenüber auch Meinungen begründet, die von Ihnen bzw. der Friedensbewegung teilweise oder eventuell sogar gänzlich abweichen (bspw. die Sendung mit René Zeyer zur Armutshilfe) und damit zur kritischen Selbstreflexion anregen (wie Sie ja auch in MMM #2 bei etwa 1:40 äußern).
Nun aber zum eigentlichen Grund meines Schreibens:
Auf den Montagsdemos haben Sie u. a. in der Art argumentiert, dass unser Geldsystem ein bewusst gemachtes Ausbeutungssystem sei und dahingehend wie viele andere, die bspw. erstmals auf das sog. "Zinsproblem" stoßen, den Eindruck erweckt, man bräuchte nur ein paar Stellschrauben verstellen, damit das Geld den Menschen diene. In diesem Zusammenhang haben Sie dann den österreichischen ehem. Prof. Hörmann interviewt. Dieser ist nun zwar bereits umstritten, was ja auch meiner Meinung nach kein Ausschlussgrund für sachliche Argumentation sein darf, aber gerade darin mangelt es bei ihm an fundiertem Grundlagenwissen. Diesbzgl. möchte ich hier einen von mir an dieses Interview gegebenen Kommentar anhängen, der dort damals aus einem mir unbekannten Grund über mehrere Tage nicht veröffentlicht worden ist und auch sonst keinerlei Beachtung fand:
--- EINSCHUB KOMMENTAR ---------------------------
Hörmann hat trotz mehrerer richtiger Aussagen deutliche geldtheoretische Schwächen (und übrigens leider auch der Großteil gelehrter Ökonomie). Das fängt bei seiner dürftigen Definition von "Geld" (ganz nebenbei ein Unwort, welches das ökonomische Verständnis aufgrund unterschiedlichster, stark einseitiger und rein funktionaler Definitionen erschwert - auch der stark dingliche Bezug geht gänzlich an seiner immateriell rechtlichen Eigenschaft/Funktion vorbei) an und hört bei dessen angeblich fehlendem Gegenwert und folglich seiner Geld-aus-der-Luft-Annahme, wo sich Steuern halt mit Steuern "decken", noch lange nicht auf.
Es ist dabei nur außerordentlich traurig, dass jene Suchenden, die "das System" hinterfragen und tatsächlich begreifen wollen, behindert - teilweise fehlgeleitet werden. Für die möchte ich allerdings mal ein paar interessante Stichworte und Literaturquellen einstreuen, um ein Verständnis der tatsächlich herrschenden Verhältnisse hinsichtlich wirtschaftlicher Entwicklung sowie Betätigung - und insbesondere der Entstehung des Geldes (und Eigentums!) zu ermöglichen.
Zum Einen stützt sich die Grundannahme der Entstehung des Geldes und des Wirtschaftens in nahezu allen ökonomischen Mainstream-Schulen auf das sogenannte "Tauschtheorem", das seit nunmehr Jahrzehnten als widerlegt gelten kann (vgl. akt. Forschungsstand der Wirtschaftsethnologie [1]). Dahingehend kommt es auch zur absurden Begriffsverwirrung um "Geld", bei der alles "Geld" darstellen könnte. Nur: «Alle die bisher genannten Geldformen [wie ‹bevorzugte Tauschobjekte›, ‹Schmuckgeld›, ‹Kleidergeld›, ‹Gerätgeld›, ‹Nahrungsmittelgeld›] unterschieden sich freilich in der Regel ökonomisch dadurch von dem heute üblichen Geld, dass man sie nicht auf Zinsen leihen konnte.» [2] Um es kurz zu machen: es gab vor der "Einführung der Geldwirtschaft" keine sog. "Tauschwirtschaft" und folglich war auch keine "Erfindung eines tauscherleichternden Mittels" notwendig, wie sie im Allgemeinen angenommen wird.
Vielmehr zeugen sämtliche Befunde von Verflechtungen sozialer Schuldbeziehungen [3]. Jene waren vormals solidarischen Beziehungen untergeordnet - hier ist insbesondere die Dunbar-Zahl interessant, die eben jene solidarisch sozialen Beziehungen, die ein Mensch überhaupt geistig fassen kann, auf ca. 150 Personen beschränkt. Wächst nun die menschliche Population eines Stammes stark über diese Anzahl hinaus, wird es außerordentlich schwierig, die eigene Solidarität ggü. offenkundig fremden Mitmenschen aufrecht zu erhalten. Das Ganze hat nichts mit Neid oder dergleichen zu tun, sondern einfach damit, vom eigenen, knappen Fressen freiwillig etwas an Fremde abzugeben, wenn man selbst am verhungern ist.
Wie es später (und auch nicht überall, gelle) zur Entstehung des Eigentums kam, ist bis heute ungeklärt, aber man könnte bspw. die Theorie Gunnar Heinsohns untersuchen, der dessen Entstehung aufgrund katastrophaler Zustände verortet [4] und sich auch die Transformation der häuslichen Produktionsweise anschauen [5]. Im Weiteren hat Heinsohn mit Otto Steiger eine ökonomische Eigentumstheorie ("Eigentumsökonomik") entworfen [6], aus deren Fundus wiederum Paul C. Martin den sog. "Debitismus" entwickelt hat, bei dem insb. der zur Schuldentilgung gesetzte Termin und die Macht (Sanktion bei Terminüberschreitung, diesbzgl. natürlich die Entwicklung der Waffe hin zum tributfordernden Staat höchst interessant) im Zentrum stehen [7].
Abseits der vom glückseligen Mainstream-Tausch-Märchen vernebelten Geister, wie sie in nahezu allen Universitätslehrstühlen zu finden sind, ist dieser wirtschaftsethnologische und rechtshistorische Abriss allerdings notwendig - nicht nur um die Unterschiede zwischen menschlichen Gemeinschafts- und Gesellschaftsstrukturen zu erkennen, sondern insbesondere auch historisch-ökonomische Gemeinsamkeiten, die fälschlicherweise nicht gerade allzu selten als gänzliche neue Besonderheiten der Moderne ausgemacht werden, wie bspw. das simple Verrechnungssystem des Giralgeldes, welches tatsächlich seit Anbeginn der sog. "Geldwirtschaft", d.h. seit der Antike existiert [8].
Usw. usf.
Das nur mal so als Quereinstieg und bereits das ist natürlich viel Lesestoff und nicht einfach mal in 15 Minuten zu verarbeiten, wie schnöde und zum eigentlichen Verständnis kaum beitragende "Goldschmied Fabian"-Filmchen und dergleichen - aber man befindet sich wesentlich näher an der Realität und versteht, wieso die Forderungen, wie sie bspw. die Monetative stellt, völlig abstrus sein müssen und sich letztlich gar entgegen ihrer eigentlichen Intention richten - nämlich der Abschaffung frei dispositierbaren Eigentums - und direkt zur Staatswirtschaft führt. Wer Filmchen mag, kann sich ja mal die wenigen zu den Eigentumstheorien anschauen [9].
Es ist freilich unbesehen, dass es noch etliche weitere solcher sog. heterodoxen ökonomischen Theorien gibt und auch deren aktueller Forschungsstand nicht gänzlich fehlerfrei, sondern verbesserungswürdig ist - allerdings zeugt es von qualifizierter Wissenschaftlichkeit, die Befunde anderer Wissenschaftszweige nicht vom eigenen Theoriegebäude auszuklammern, wie es die Mainstream-Schulen tun, sondern eben jene Befunde in der Erklärung wirtschaftlicher Theorien einzubeziehen und den nebulösen Schleier des Wirtschaftens selbst zu lichten.
[1] vgl. bspw. George Dalton (1982): «Barter», http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=142812
[2] Heichelheim, F. M. (1938): «Wirtschaftsgeschichte des Altertums. Vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slawen und Araber», Bd. 1, Leiden: A. W. Sijt-hoff., S. 62
[3] vgl. bspw. David Graeber (2011): «Debt: The First 5,000 Years»
[4] Gunnar Heinsohn (1984): «Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft. Eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike»
[5] Bernbeck/Reinhard (1996): «Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise: das Beispiel Mesopotamiens», eine Analyse unter http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=218229
[6] siehe im Detail Heinsohn/Steiger (1996): «Eigentum, Zins und Geld: Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft» und Heinsohn/Steiger (2008): «Eigentumsökonomik»,
[7] Martin (2003): «Macht, der Staat und die Institution des Eigentums», http://www.youblisher.com/p/978-Macht-der-Staat-und-die-Institution-des-Eigentums-von-Paul-C-Martin/
[8] Edward Cohen (1992): «Athenian Economy and Society - A Banking Perspective», http://books.google.de/books?id=74Jpiw09mJIC
[9] Debitismus: https://www.youtube.com/watch?v=XXJJQT1MjYw
Debitismus Ohne Schulden, kein Geld: https://www.youtube.com/watch?v=74FzMJGUOcI
Debitismus: Geld = Schuldendeckungsmittel: https://www.youtube.com/watch?v=gEdS8NvIg3o
Wirtschaft verstehen - Vortrag von Nicolas Hofer: https://www.youtube.com/watch?v=lRhPT2q9oWg
--- ENDE KOMMENTAR ---------------------------
Sie werden hoffentlich verstehen, dass es mir dahingehend ein dringendes Anliegen ist, dass auch Sie sich mit dem (eben auch Ihren Argumentationsmustern unterlegten) Geldsystem tiefgründiger befassen und erhoffe mir vor allem, dass sie den eremitierten Bremer Professor Gunnar Heinsohn interviewen, der u.a. auch zu den eigentumstheoretischen Grundlagen des Debitismus beigetragen hat. Details dazu finden Sie in meiner Bachelorthesis von 2012: "Eine vergleichende Untersuchung der Eigentumstheorie als Grundlage des Wirtschaftens".
Gunnar Heinsohn wäre auch im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung als Interviewpartner äußerst interessant, weil er auch Demograf und Völkermordforscher ist bzw. war (vgl. bspw. die "Youth Bulge" - These).
Falls Sie Heinsohn nicht kennen, empfehle ich Ihnen, sich diese 4 äußerst interessanten Sendungen zu Gemüte zu führen:
​Das Philosophische Quartett (2005): Die Diktatur des Kapitals
​​Das Philosophische Quartett (2006): Demographie als Schicksal - Das Drama der Geburtenraten
​​Das Philosophische Quartett (2009): Halbzeit der Krise? (Halbzeit der Kriege?)
​​Das Philosophische Quartett (2010): Sterben die Deutschen aus?
Viele Grüße,
​​...
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Gruß!™
Time is the school in which we learn,
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