2      Bausparvertraege – Grundlagen
2.1Â Â Â Â Â Â Nachteile von Bausparvertraegen
Wer mit einem angesparten und zugeteilten (Begriffserlaeuterungen siehe weiter unten) Bausparvertrag "bauen" will, d.h. ein Haus kaufen oder den Neubau oder Umbau eines Hauses finanzieren will, erlebt oft ein(ig)e boese Ueberraschung(en):
2.1.1Â Â Â Â Â Â Bausparvertrag begrenzt die Hoehe der Finanzierung
Eine Immobilie (Bungalow, Garage, Buerogebaeude, Scheune, Mehrfamilienhaus) wird in der Regel "finanziert". D.h. das Geld fuer den Verkaeufer (des Hauses, des Grundstuecks) kommt nicht vom Kaeufer selbst, sondern der/die Kaeufer besorgen es sich von einem Finanzierungsinstitut. (Dies hier ist keine Einfuehrung in die allgemeine Baufinanzierung, vielleicht schreibe ich dazu mal einen gesonderten Beitrag.)
Dieser Finanzierer kann eine Geschaefts-Bank, eine Hypothekenbank, ein befreundeter Geldgeber, manchmal eine (Lebens- oder Renten-) Versicherung oder eben eine Bausparkasse sein.
Das Problem, das sich hier nur stellt, ist: "wie weit geht der Darlehensgeber mit?". Das heisst, wieviel Geld benoetigt der Kaeufer vom Kreditinstitut oder der Bausparkasse im Verhaeltnis zum Kaufpreis? Dies sind die beruehmten "Prozente", zu denen fremdfinanziert wird.
Um den gesamten Vorgang besser zu verstehen, muessen wir uns erst noch ansehen, worum es bei einer Baufinanzierung eigentlich geht. Die meisten Menschen, die spaeter ein Haus kaufen oder bauen wollen, haben in ihrer "Ansparphase" leider noch sehr unklare Vorstellungen davon, wie es spaeter weitergehen soll – daher auch die Verbreitung des Bausparvertrages zur Baufinanzierung. Oft muss ein Bausparvertrag dann spaeter wieder aufgeloest werden, da er zur Gesamtfinanzierung nicht passt. Dies wollen wir im folgenden unter "Nachteile" genauer unter die Lupe nehmen. Dazu muss man aber ein Grundverstaendnis von Baufinanzierung besitzen. Dieser folgende Exkurs beschraenkt sich nur auf die Elemente der Baufinanzierung, die man kennen muss, um zu beurteilen, ob ein Bausparvertrag im Einzelfall einen sinnvollen Baustein zur Finanzierung eines Immobilienwunsches darstellen kann!
2.1.1.1Â Â Â Â Â Â Exkurs: Eine typische Baufinanzierung
Beispiel: eine solvente, d.h. gut verdienende, Familie mit sicherem Einkommen (Paradebeispiel sind die "A26" = Ehepaar, beide Lehrkraefte am Gymnasium zu je A13-Einstufung in der Besoldungsgruppe A. Beamte, unkuendbar inkl. gesicherter, unverfallbarer Altersversorgung; selbst im Scheidungsfall muss sich eine Bank hier keine Sorgen machen, die Hypothek koennte evtl. nicht mehr bedient werden). Diese Familie will nun ein Einfamilienhaus kaufen oder errichten.
Normalerweise wird dabei von der Bank ein Darlehen bis zur Hoehe von 80% des Kaufpreises bzw. bei Neubauten der geschaetzten Baukosten zuzueglich Grundstueckspreis und evtl. Erschliessungskosten ausgereicht. Dies ist eine Daumenregel. Wir wollen hier nicht auf die Feinheiten eingehen, wie etwa, ob der Preis ueberteuert sein koennte und deshalb die Bank "bockig" wird und nur 60% akzeptieren will oder ob bei sehr guter Bonitaet des Schuldners nicht auch eine "110%-Vollfinanzierung" im Einzelfall moeglich waere (110% = 100% Kaufpreis plus Nebenkosten wie Notar, Grundbuch, Grunderwerbssteuer etc.). Dies sind alles interessante Themen, gehoeren aber, wenn ueberhaupt, in einen Beitrag ueber Baufinanzierung im Allgemeinen!
2.1.1.1.1      Beleihungsgrenze – ein Stolperstein fuer Bausparer
Nun ist aber fuer eine Bank nach ihren internen Beleihungsrichtlinien wie auch meist nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften Bedingung, dass sie eine Grundschuld nur an erster Rangstelle akzeptieren darf.
Der Vorteil eines Bausparvertrages, so wird man es auch beim Bauspar-Vermittler oft hoeren, ist, dass eine Bausparkasse auch an die zweite Rangstelle (nach den erstrangigen Banken) "geht". Das liest sich so, als koennte man mit einem zusaetzlichen Bausparvertrag "oben drauf" den "Beleihungsraum" noch etwas weiter ausreizen. Wir werden gleich sehen, dass das i.d.R. nicht so leicht oder eher unmoeglich ist.
Denn: die Banken gehen bis 80%, ein Bausparvertrag nur bis 70% des Gesamtwertes der Beleihung.
Daraus entsteht folgendes Problem: eine typische Baufinanzierung ueber eine Geschaeftsbank erfolgt so, dass es technisch zwei getrennte Hypotheken gibt:
1)Â Â Â Â Â Â eine sog. 1a-Hypothek einer Hypotheken-Bank und
2)Â Â Â Â Â Â eine 1b-Hypothek der Geschaeftsbank, bei der man den Gesamt-Darlehens-Antrag stellt.
Im Beratungsgespraech merkt man davon erstmal nichts, es geht beim Bankberater zur Baufinanzierung ausschliesslich um ein scheinbar einheitliches Gesamtpaket (die beruehmten 80%, s.o.).
Intern wird dann i.d.R. die Hypothekenbank des Bankhauses mit eingeschaltet, die bis 60% Beleihungsgrenze gehen darf und sich dafuer i.d.R. dann ueber Pfandbriefe refinanziert. Die restlichen 20 Prozent-Punkte (80-60=20) kommen von der Geschaeftsbank selbst. Wenn es dann an's konkrete Unterzeichnen der Vertraege geht, sieht das Paket der Gesamtfinanzierung "aus einer Hand" dann so aus, dass die Bank eine 1a-Hypothek ueber ihre Hypothekenbank und eine 1b-Hypothek auf sich selbst im Grundbuch eintragen laesst.
Die Begriffe 1a und 1b ruehren daher, dass grundbuchtechnisch beide an sog. erster Rangstelle stehen, die Geschaeftsbank jedoch mit ihrer Restfinanzierung sich zugunsten der erstrangigen Hypothekenbank "zurueckhaelt" (Rangruecktrittsvereinbarung).
Das Ergebnis einer solchen Finanzierung ist dann, dass der Beleihungsraum zugunsten einer regulaeren Bankfinanzierung ausgenutzt wude, fuer eine Bausparkasse ist da kein Raum mehr, denn deren Gutmuetigkeit endet schon an der 70%-Grenze und die ist bereits lange ausgeschoepft.
Man erspare mir nun Diskussionen darueber, ob oder ob nicht man eine Hypothekenbank im 60%-Beleihungsraum und 10% mit Bausparkasse kombinieren koenne etc. etc. Solche Fragen koennen daher in diesem Thread auch nachher generell eher nicht beantwortet werden, weil solche Fragen nur stellt, der von Baufinanzierung zu wenig Ahnung hat.
Das sprengt daher den Rahmen – dies ist ein Beitrag ueber Vor- und Nachteile des Bausparens, nicht ein Vademecum der Baufinanzierung! Es geht einzig darum, aufzuzeigen, wann und dass ueberhaupt ein Bausparvertrag selbst dann ein sinnvoller Baustein der Vermoegensbildung sein kann, auch wenn man nicht bauen oder kaufen will oder der Bausparvertrag hinterher gar nicht zur Baufinanzierung passt.
Das Vorgesagte dient nur dazu, zu erlaeutern, warum bei dieser Ueberlegung auch nur ein "kleiner" Bausparvertrag herauskommen kann.
Denn – so das Fazit aus dem oben Gesagten: ein Bausparvertrag eignet sich i.d.R. nicht, um damit eine Baufinanzierung deutlich jenseits der, sagen wir, 100.000 Euro zu finanzieren. Schon gar nicht fuer die ueblichen 300.000 bis 700.000 Euro, die man heute je nach Lage/Grundstueckspreis und Familien- und Hausgroesse ausgeben wuerde!
2.1.1.1.2      Die hohe Tilgung – ein weiterer Stolperstein fuer den Bausparer
Ein Bausparvertrag hat aber noch einen weiteren Haken:
-      waehrend ein sog. Annuitaeten-Darlehen i.d.R. mit 1% pro Jahr getilgt wird, verlangen die Bausparbedingungen eine Tilgungsrate in Hoehe von 4%, also 400% der bankenueblichen Minimal-Tilgung (nochmal: dies ist kein Baufinanzierungs-Thread – es gibt andere Bankmodelle und es gibt Versicherungs-Modelle und es gibt vorfinanzierte, d.h. nicht eingezahlte Bausparvertraege – das ist alles Sache eines ausfuehrlicheren Baufinanzierungs-Threads!!!).
-Â Â Â Â Â Â Hinzu kommt, dass Tilgungen, anders als in bestimmten Faellen die Zinsen, nicht steuerlich wirksam sind. Denn Tilgung eines Kredits ist nichts anderes als "Sparen von unter Null" und Sparen auf dem Sparbuch ist "Sparen ueber Null". Tilgen ist "linke-Tasch-rechte-Tasche", d.h. das Nettovermoegen steigt durch's Tilgen in genau gleichem Masse, wie es die Einzahlung desselben Betrages auf ein Sparbuch bewirken wuerde.
Daher ist Tilgen eine Vermoegensumschichtung und ebenso wie Sparen muss eine Tilgung aus dem versteuerten Einkommen erfolgen!
Und ob jemand 100% einer Summe oder 400% einer Summe x aus seinem Netto-Verdienst entnehmen muss ist bei manchen der Unterschied zwischen gut leben und hungern.
Machen wir ein einfaches Beispiel:
Sagen wir, der Baukunde Meier will fuer 500.000 Euro ein Haus kaufen. 150.000 Euro Eigenkapital hat er (er braucht insgesamt 550.000 Euro, d.h. zzgl. 10% fuer Grundbuchgebuehren, Notarkosten, Grunderwerbsteuer, alle moeglichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen u.a.m. – bewaehrte Daumenregel!).
Nun geht er zur Bank und erkundigt sich nach einem Darlehen. Er erhaelt den Vorschlag:
400.000 Euro Bank-Annuitaetendarlehen, 5% Zinsen und 1% Tilgung = 6% Annuitaeten-Zahlung/Jahr oder 0,5%/Monat (nicht ganz richtig, aber genuegt fuer Zwecke der Erlaeuterung). Das ist eine Zahlung von 24.000 Euro im Jahr oder ca. 2.000 Euro/Monat an die Bank. Das ist einerseits viel, andererseits spart er dadurch Mietkosten von vielleicht 1.000 Euro/Monat.
Viele Doppel-Verdiener-Familien koennen sich das durchaus heute leisten und tun es selbst dann, wenn sie es bei Lichte betrachtet nicht koennten.
Bei der Bausparkasse sieht es etwas anders aus: dort haette der Kunde nur 70% = 350.000 Darlehenssumme zu erwarten. Aber: da er vorher den Bausparvertrag ansparen musste, sind die "fehlenden" 50.000 bereits im zuteilungsreifen (!) Bausparvertrag angespart und stehen zur Baufinanzierung zur Verfuegung (auch diese Rechnung ist nicht ganz richtig, weil sonst der Vergleich zum Bank-Beispiel rechnerisch nicht passen wuerde). Das Darlehen betraegt also nur 350.000, muss aber zu 4% p.a. getilgt werden. Die Rechnung saehe nun so aus (sie ist nicht ganz richtig, sonst wuerde die Vergleichbarkeit zum Bankdarlehen leiden, siehe dazu weiter unten!):
Gesamtkosten 550.000 Euro, davon 150.000 Euro "anderweitiges" Eigenkapital (EK). 400.000 Finanzierung ueber Bausparvertraege (BSV), davon 50.000 EK im BSV, Rest 350.000 Bauspar-Darlehen (Eigenkapital daher strenggenommen hier 200.000 Euro!). Zinssatz ebenfalls 5%, aber 4% Tilgung = 9% (!).
9% sind nun aber 31.500 Euro p.a. oder ca. 2.625 Euro/Monat. Aus dem versteuerten Einkommen! Solch eine Familie wird sicherlich noch weitere 2.500 Euro zum Leben brauchen (Nahrung, Kleidung, Personenbefoerderung, von Urlaub und Inneneinrichtung ganz zu schweigen). Das sind 5.000 Euro/Monat. Bei 50% Steuer und Versicherungen vorab, muss das Familieneinkommen 10.000 Euro/Monat betragen, um ueber die Runden zu kommen. Auch wenn bei Kauf eines sofort bezugsfertigen Hauses 1.000 Euro Mietkosten wegfallen sollten, sind wir bei hohen monatlichen Mindestverdiensten!
Das sieht also schon etwas anders aus, insbesondere, wenn man keine zusaetzlichen 625 Euro pro Monat hat.
Ausserdem muessen hier hoehere vorherige Ansparleistungen vorliegen, und die schultert eine Familie in jungen Jahren ja eben gerade nicht.
Nun wendet man ein: aber die Tilgung des Darlehens ist ja auch viel frueher beendet! Ja, in der Tat: wer die Abkuerzung ueber die Sahara nimmt, kommt auch schneller voran – er muss aber barmen, ob er unterwegs genug Wasser zum Saufen hat …
Tatsaechlich spueren Familien bei meist karrierebedingt steigenden Einkommen die ersten zehn Jahre der Rueckzahlung am meisten, das zweite Jahrzehnt schon weniger (hier kommen aber Kosten fuer Ausbildung der Kinder hinzu) und das dritte Jahrzehnt schon fast nicht mehr, wegen inflationsbedingt gestiegenen Loehnen usw. Die Tilgung gerade am Anfang hoch zu waehlen ist daher meist ein Fehler.
Wie gesagt: bitte in diesem Thread keine ausufernde Diskussion zu generellen Baufinanzierungsfragen – hier geht es allein darum, zu zeigen, dass Bausparen zur direkten Voll-Finanzierung eines Hauses i.d.R. gelinde gesagt problematisch ist und dass das Argument, man koenne von der Tatsache, dass die Bausparkasse an die zweite Rangstelle geht, profitieren, gelinde gesagt Bauernfaengerei ist.
Aus meiner eigenen Beratungserfahrung: ich habe i.d.R. zur Aufloesung eines zuteilungsreifen Bausparvertrages raten muessen, wenn es um eine Vollfinanzierung ging, d.h. die angeblichen "Vorteile", der Anspruch auf ein Darlehen nach ca. sieben Jahren geduldigen Ansparens, haben sich i.d.R. aus o.g. praktischen Erwaegungen nicht umsetzen lassen.
Haetten die Bausparer das vorher gewusst bzw. vorher anhand ihrer in sieben Jahren zu erwartenden finanziellen Lage durchgerechnet, haetten sie den Umweg vermeiden und evtl. gleich bauen koennen oder aber den Bausparvertrag nicht in der "irren" Hoehe gewaehlt, der fuer die angebliche Vollfinanzierung so verfuehrerisch logisch klang. Mit anderen Worten: sie haetten mehr Optionen gehabt statt einer Option, die genau nicht passt.
Heisst das nun: Finger weg vom Bausparvertrag? Im Gegenteil. Bausparen kann fuer alle Altersgruppen interessant sein, auch fuer Aeltere, sogar fuer Pflegebeduerftige, die garantiert nicht mehr selbst bauen werden usw. Dem widmen wir uns im Folgebeitrag.
---
Zum Folgebeitrag "3 Das Minimum-Konzept des sinnvollen Bausparens - Ausschoepfen der Bausparfoerderung und des Sparzinssatzes"
Zum Hauptbeitrag/Inhaltsverzeichnis "Bausparen - aber richtig! Risiken und Chancen/Vermoegensaufbau"
--
Mit 40 DM pro Kopf begann die Marktwirtschaft, mit 400.000 Euro Schulden pro Kopf wird sie enden.
Atomkraft | in English